Japan: Von der Insel Kyūshū in die Südsee nach Okinawa

Die Vielfalt des Südens beim Inselhopping von den Vulkanen bis zum Korallenriff entdecken.

Ein Rückblick: Unvergessliche Tage auf Kyushu

Meine Reise beginnt in Fukuoka, der größten Stadt auf Kyūshū und einem historischen Knotenpunkt Japans mit dem asiatischen Festland. Nach faszinierenden Tagen auf Kyūshū mit Satoshi und seiner Frau Jinko geht es für mich weiter nach Naha, Okinawa.

Drei unvergessliche Tage, die ich gemeinsam mit ihnen auf der Insel Kyushu verbringen durfte, liegen hinter mir. Es war eine intensive, erlebnisreiche Zeit, die zu den absoluten Highlights meiner Japanreise zählt.

Von ihrem Zuhause in Shimonoseki ging es auf direktem Weg entlang der Expressways und über die kleinen Landstraßen tief hinein in die ausgesprochene Schönheit und Kultur dieser beeindruckenden Insel im Süden Japans, auch wenn es während unserer Fahrt in Strömen regnete. Doch das führte mir nur einmal mehr die Gewalten der Natur auf eindrucksvolle Weise vor Augen.

Besonders begeisterte mich die einzigartige Waldlandschaft auf der Insel. Ich habe noch nie zuvor einen so gesunden und dichten Wald gesehen, in dem Nadelbäume und Bambushaine in trauter Eintracht nebeneinander stehen.

Im Vorbeifahren bot sich mir ein intensives Erlebnis unterschiedlichster Grüntöne. Dazwischen waren immer wieder Reisfelder in verschiedenen Größen zu sehen, die mit dem frischen Grün der ersten Sprösslinge leuchteten – ein wahrhaft malerischer Anblick.

Für mich als ihr Gast war es ungewöhnlich, dass Satoshi und Jinko alles bezahlten. Ich versuchte mich bei Kleinigkeiten zu revanchieren, doch ihre Großzügigkeit war überwältigend und ist Bestandteil der japanischen Kultur.

Kyushus Einzigartigkeit: Natur, Geschichte und Gastfreundschaft

Die Insel Kyushu, Japans drittgrößte Insel, ist in vielerlei Hinsicht einzigartig und faszinierend. Sie ist bekannt für ihre spektakuläre vulkanische Landschaft und die damit verbundenen zahlreichen heißen Quellen, die sogenannten Onsen, die zur Entspannung einladen. 

Bedingt durch ihre Lage war sie über Jahrhunderte ein wichtiges Tor Japans zur Welt, insbesondere für den Handel und den kulturellen Austausch mit dem asiatischen Festland. Dies hat eine reiche und vielfältige Geschichte und Kultur hervorgebracht, die ich auch in den kleineren Orten mit den vielen Schreinen unterschiedlichster Bauart nachvollziehen konnte.

Unsere Entdeckungen auf der Insel

Unsere Reise führte uns zunächst in die atemberaubende Natur des Aso-Kujū-Nationalparks mit den weiten Graslandschaften und den vielen kleineren Vulkanen. 

Der Vulkan Aso – ein imposanter Feuerberg – hat mich von diesen nicht aktiven Bergen am meisten beeindruckt, weil seine gewaltige Caldera eine der weltweit größten ist. So ist es für mich auch nicht verwunderlich, dass die Region um den Aso-Vulkan seit 2014/2015 als UNESCO Global Geopark ausgewiesen ist, was die geologische Bedeutung und den Schutz dieser einzigartigen Landschaft unterstreicht.

Ein besonderer Ort der Ruhe und Klarheit war für mich die Shirakawa Quelle, wo stündlich beachtliche 60 Tonnen Wasser aus dem Flussbett strömen. Wie mir Satoshi versicherte, ist es eines der qualitativ besten Trinkwasser Japans.

Ein weiterer Höhepunkt unserer Tour war für mich der Besuch der Stadt Takachiho und der spektakulären Takachiho-Schlucht. Da das Wetter eine Bootsfahrt nicht zuließ, erlebte ich diese bemerkenswerte Schlucht stattdessen bei einer kleinen abendlichen Wanderung allein, eine gute Gelegenheit, mich beim schnellen Laufen etwas auszupowern. Die steilen Felswände und die herabstürzenden Wasserfälle wirkten in der Dämmerung noch mystischer auf mich, als ich es in den farbigen Prospekten, die in dem Hotel ausliegen, wahrgenommen habe.

Unbedingt erforderlich war rückblickend für mich der Stopp auf dem Roadtrip in dem Ort, wo die historische Tsūjun-Brücke steht. Die Brücke selbst ist ein Zeugnis einer smarten Wasserwirtschaft und bereits im 19. Jahrhundert ein Beispiel einer phänomenalen Ingenieurskunst für die gezielte Bewässerung der Reisfelder, obwohl sie ebenfalls kein UNESCO-Weltkulturerbe ist, sondern als nationaler Kulturschatz Japans gilt. 

In diesem Ort besuchten wir einen Wochenmarkt, um eine Pause von der langen Fahrt einzulegen. Schon beim Betrachten der angebotenen Früchte und des Gemüses war ich einfach nur sprachlos, da ich bislang nur selten eine so optisch wahrnehmbare hohe Qualität der angebotenen Produkte registriert habe, die für mich wie idealisierte Abbildungen aus einem Buch über den Pflanzenanbau wirkten.

In Kumamoto, dem Endpunkt unserer Reise, in einer lebendigen Stadt, die für ihre üppigen Gärten und das entspannte Tempo bekannt ist, stand natürlich die Besichtigung der prächtigen Burg auf unserem Programm. 

Die Burg Kumamoto ist wirklich ein Meisterwerk der japanischen Architektur. Leider wurde sie durch das Erdbeben von 2016 stark beschädigt, was noch an den großen, auseinanderklaffenden Rissen vieler historischer Gebäude nachzuempfinden ist. 

Doch der Wiederaufbau schreitet mit der typisch japanischen Perfektion stetig voran, auch wenn die Arbeiten noch nicht vollständig abgeschlossen sind. Trotz der Schäden, die das historische Bauwerk in der Vergangenheit erlitten hat, strahlte sie auf mich eine unglaubliche Würde aus.

Verwundert bin ich nur von Satoshi zu erfahren, dass die Burg nicht zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, obwohl sie eine der drei bedeutendsten Burgen Japans ist.

Bei unserem letzten gemeinsamen Abendessen in einem Restaurant in Kumamoto konnte ich mich auf eine ganz besondere Weise für die unvergesslichen Tage bei den beiden bedanken. 

Nach dem Abendessen überraschte ich Satoshi und Jinko mit einer Flasche deutschen Weins von einem Winzer, dessen Namen meine Familie teilt, einem Paket mit Scheiben deutschen Brotes und einer Torte nach Schweizer Art. 

Diese Dinge hatte ich vor dem Abendessen in der Delikatessenabteilung eines großen Kaufhauses besorgt, nachdem ich während unserer gemeinsamen Zeit ein Gefühl für ihre Vorlieben bekommen hatte. 

Ihre Freude und Überraschung waren für mich in diesen Augenblicken unbezahlbar.

Nach diesen ereignisreichen Tagen voller Natur, Kultur und gemeinsamen Erlebnissen verabschiedeten mich Satoshi und Jinko herzlich am Flughafen in Fukuoka. Die Gastfreundschaft und die gemeinsamen Momente mit den beiden werden mir noch lange in Erinnerung bleiben.

Ein Paradies in der Südsee

Nachdem ich nun die vielseitigen Facetten Kyushus erlebt habe, freue ich mich darauf, in eine ganz andere Welt Japans einzutauchen – in das Inselparadies Okinawa.

Okinawa ist die südlichste PräfekturJapans und besteht aus über 150 Inseln, die sich wie auf einer Kette aufgereiht über eine Länge von etwa 1.000 Kilometern erstrecken. Geografisch liegt das Archipel zwischen dem japanischen Festland und Taiwan, wodurch sie in der Geschichte oft eine Brücke zwischen dem verschiedenen Kulturen war.

Der Name der Insel war mir bis zum November letzten Jahres nicht geläufig bis ich mir an einem Abend den Podcast „Geschichten aus der Geschichte“ angehört habe. In Folge GAG478 von meinem Lieblingspodcast wurde über: „Eine Geschichte über das Venedig des Ostchinesischen Meers“ berichtet. 

Die Handlung zu dieser Geschichte spielt im 14. Jahrhundert im Ostchinesischen Meer, wo sich in jener Zeit zwischen China und Japan ein kleines Königreich zu einer der größten Wirtschaftsmächte der Region emporschwingt, das Königreich Ryukyu. Mich faszinierte dieser Bericht über das vergangenen Königreich derart, dass ich spontan beschloss, unbedingt einmal dorthin zu reisen. 

Das lebendige Erbe des Königreichs Ryūkyū

Ein kurzer Abriss der Geschichte klärt mich über die Hintergründe in jener Zeitepoche auf: Vom 15. bis ins späte 19. Jahrhundert beherrschte das Königreich die gleichnamigen Inseln als ein unabhängiger Staat. Seine recht überschaubare Landmasse entsprach ungefähr der Fläche der spanischen Insel Mallorca. Dennoch war der Einfluss des kleinen Riesen im ost- und südostasiatischen Seehandel sehr groß. 

Die Könige des Inselstaates regierten von ihrer Burg Suhi in Naha aus ein Reich mit einer einzigartigen kulturellen Identität und wirtschaftlicher Stärke. Ein Grund dafür war, dass Ryūkyū geschickt die Bälle der diplomatischen Beziehungen mit seinen Nachbarn jonglierte. Lange war es ein Vasall Chinas und profitierte aber gleichzeitig immens vom regionalen Handel mit dem Kaiserreich. Zeitgleich stand es politisch unter japanischem Einfluss. Diese Doppelvasallenschaft formte eine reiche Kultur, die bis heute in Okinawa lebendig ist – von alten Religionen bis hin zur Geburtsstunde des Karate. 

Die Ära dieses besonderen Kaiserreich endete im Jahr 1879 mit der Annexion Japans und der Eingliederung in das Kaiserreich als japanische Präfektur Okinawa. Genau diesen Ort will ich in den nächsten beiden Tagen erkunden. 

Tropische Wärme in Naha 

Mein Flug nach Okinawa dauert nur 90 Minuten, bevor ich sanft auf der Insel lande, die von Kennern auch oft als Japans Hawaii bezeichnet wird. Die Ankunft in Naha ist für mich sofort körperlich spürbar: Auch um vier Uhr nachmittags zeigt das Thermometer stolze 30 Grad Celsius an, begleitet von einer für mich fast greifbaren Luftfeuchtigkeit.

Am Flughafen-Gateway empfangen blühende Orchideen in allen erdenklichen Farben die Ankommenden – ein deutliches Zeichen dafür, dass ich mich nun im südlichen Pazifik befinde. Alles verläuft bei der Ankunft gewohnt reibungslos: Mein Gepäck steht schon zur Mitnahme bereit, ohne dass ich es mir selber vom Transportband holen muss.

Für den Transfer zum Eurocar-Mietservice etwas außerhalb des Flughafens steige ich in den gelben Shuttlebus. Da jede Mietwagenfirma ihre eigene Farbe bei den Transportmitteln hat, ist ein falsches Einsteigen faktisch ausgeschlossen. Der Service bei der Verleihfirma mit den unglaublich freundlichen und hilfsbereit Angestellten ist exzellent und von A bis Z durchorganisiert, sodass die Übergabe des blauen Mazdas als mein fahrbarer Untersatz für die nächsten Tage eine Sache von Minuten ist. 

Unerwartete Wendung bei Ankunft

In meinem Hotel Prince Smart Inn in der Innenstadt von Naha angekommen, erreicht mich eine Nachricht, die meine Pläne durchkreuzt: Eine E-Mail teilt mir mit, dass mein Tauchgang für morgen abgesagt wurde. Diese Nachricht ist ein herber Schlag für meine Pläne.

Spontane Suche und eine unerwartete Begegnung

Entschlossen, eine Alternative zu finden, mache ich mich auf die Suche nach einem Tauchshop in der Nähe meines Hotels, um mich nach möglichen Optionen zu erkundigen. Unterwegs spreche ich einen Japaner an, der ein T-Shirt mit einem Taucher-Logo trägt und mir zufällig entgegenkommt. Ich schätze, er ist etwa vierzig Jahre alt und hat gefärbte Haare, die leicht rötlich schimmern. Spontan frage ich ihn, ob er morgen zum Tauchen fährt. Da er nur wenige Worte Englisch spricht, verständigen wir uns mit meinem Übersetzungsgerät.

Nachdem er sich als Chota vorgestellt hat, vereinbaren wir nach kurzer Konversation und etwas Überlegung einen gemeinsamen Tauchausflug für morgen. Er will mich um 7 Uhr von meinem Hotel abholen. Doch schon kurz darauf werde ich unsicher und innerlich nervös, weil ich ihn persönlich gar nicht kenne. Allein das Bildschirmfoto von zwei strahlenden japanischen Kindern auf seinem Handy gab mir jedoch die Gewissheit, dass es sich bei dem potenziellen Tauchguide um einen zuverlässigen Zeitgenossen handelt.

Okinawa: Ein Nachmittag voller Eindrücke

Den restlichen Tag nutze ich, um mich zu bewegen. Als Ziele habe ich mir den Daiichi Makishi Kōsetsu Ichiba Markt und die Shuri-Burg ausgesucht, die in meinem Reiseführer ganz oben auf der Liste der Top-Sehenswürdigkeiten stehen.

Zu Gast in Okinawas Küche

Am frühen Abend besuche ich den berühmten Daiichi Makishi Kōsetsu Ichiba Markt, der zu jeder Tageszeit quicklebendig ist. Was für ein Erlebnis, was für ein Fest der Sinne! Die Gassen sind erfüllt von Menschen und Gerüchen; überall wird lautstark gefeilscht und gehandelt. Besonders fasziniert bin ich von der Vielfalt der frischen Meeresfrüchte, den tropischen Früchten und den vielen lokalen Spezialitäten, die selbst zu dieser späten Stunde noch angeboten werden.

Die engen Gänge sind vollgestopft mit Suchenden und Neugierigen, eine bunte Mischung aus Touristen und Einheimischen. Dies sind die Momente, in denen ich die einzigartige Atmosphäre dieses lebendigen Ortes aufsauge, ohne etwas kaufen zu müssen. Der Markt, oft als „Küche Okinawas“ bezeichnet, blickt auf eine lange Geschichte zurück, die bis in die Nachkriegszeit reicht, als er als Schwarzmarkt begann.

Eine der kuriosesten und zugleich faszinierendsten Besonderheiten ist das „Cook-and-Eat“-Konzept im zweiten Stock eines Marktgebäudes, das ich unbedingt ausprobieren möchte. Im Erdgeschoss wähle ich an einem Verkaufsstand einen leuchtend blauen Papageifisch aus, den ich zuvor noch nie gesehen hatte. Meinen Einkauf bringe ich dann einfach in eines der kleinen Restaurants im oberen Stockwerk, die mein Abendessen gegen eine geringe Gebühr sofort und frisch delikat zubereiten. Eine unglaublich authentische und köstliche Erfahrung, die ich so bislang nirgendwo gefunden habe – einfach traumhaft!

Es ist bereits dunkel, und die schwüle Hitze ist immer noch drückend. Ich trage noch die lange Hose, die ich heute Morgen in Fukuoka angezogen habe. Der Schweiß rinnt mir in Strömen über den Körper, nur ab und zu sorgt ein leichtes Lüftchen für eine willkommene Abkühlung.

Die Shuri-Burg: Ein lebendiges Symbol der Ryukyu-Kultur

Meine nächste Etappe auf dem Abendspaziergang ist die Burg Shuri. Der Weg dorthin führt drei Kilometer steil bergauf durch eine gehobene Wohngegend, wo ich noch beleuchtete Bürogebäude sehe. Oben angekommen ist die Burg natürlich geschlossen. Zwei Katzen, die in der Nähe des Eingangs der Festung auf einem Gedenkstein zur Erinnerung an die Eröffnung des Weltkulturerbes liegen, haben sich bereits ihr Nachtlager ausgesucht.

Trotzdem ist der Anblick der beleuchteten Shuri-Burg auch von den äußeren Bereichen aus gesehen einfach magisch. Die angestrahlten roten Dächer über den Toren leuchten warm in der Dunkelheit und verleihen der gesamten Anlage eine fast mystische Aura. 

In meinem Reiseführer erfahre ich, dass die Burg über 450 Jahre lang nicht nur königliche Residenz, sondern auch das politische, diplomatische und kulturelle Zentrum der Insel war. Ihr Baustil ist eine faszinierende und einzigartige Mischung aus okinawanischer, japanischer und stark geprägt von der chinesischen Architektur, erkennbar an den Dächern, Drachenmotiven und der leuchtend roten Lackierung. Anders als viele japanische Festlandburgen diente Shuri primär den administrativen und zeremoniellen Zwecken. 

Im Jahr 2000 wurde sie als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt. Ihre Geschichte ist aber auch eine des wiederholten Aufbaus: Die Burg wurde fünfmal komplett zerstört, zuletzt verheerend im Zweiten Weltkrieg und tragischerweise erneut durch einen großen Brand im Oktober 2019. 

Im nächsten Jahr soll der Wiederaufbau der Gebäude in der Festung fertiggestellt sein. Bislang kann ich davon noch keine Anzeichen erkennen, den die Restauration findet in einem riesigen Gebäude statt, das über die zerstörten Teile der Festung erbaut wurde. 

Mit so vielen bleibenden Eindrücken und spannenden Informationen zur Geschichte Okinawas ist glücklicherweise mein Rückweg zu meinem Quartier bergab wesentlich angenehmer und leichter.

Ein Tauchabenteuer auf den Kerama-Inseln

Pünktlich um 7 Uhr steht Chota mit seinem blauen Toyota-Bus vor meinem Hotel, um mich zum Tauchen abzuholen. Für Japaner ist Pünktlichkeit selbstverständlich, was sich auch an seiner minutiösen Ankunft zeigt.

Die Nacht im Hotelbett war für mich unangenehm heiß und feucht; der Fußboden im Zimmer war am Morgen so nass, dass ich beim Aufstehen aufpassen musste, nicht auszurutschen. Eigentlich wird auf Okinawa kein Wetterbericht benötigt, denn hier kann man rund um die Uhr die gleichen meteorologischen Werte mit einer durchschnittlichen Temperatur um die 30 Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit von etwa 80 Prozent auf der Wetter-App des Handys ablesen. 

Die Kommunikation während unserer Fahrt zum Hafen, wo die Schnellboote für Tauchausflüge ankern, verläuft schleppend. Wir nutzen hauptsächlich wieder das Übersetzungsgerät, das meist nur vom Englischen ins Japanische fehlerfrei funktioniert. Immerhin versteht Chota einige Wörter meiner automatisierten Übersetzungen.

Ich erfahre, dass er als Tauchguide arbeitet und bereits über 8000 Tauchgänge absolviert hat. Da er kein Logbuch führt, kennt er die genaue Zahl nicht.

Das Tauchgeschäft auf Okinawa ist hart umkämpft, da es zu viele Anbieter gibt. Deshalb verdient er seinen Lebensunterhalt oft zusätzlich mit dem Fischen auf offener See.

Trotz dieser Informationen bin ich immer noch nervös. Erst am Zielort, als ich fünfzehn andere Taucher auf dem weißen Motorboot sehe, legt sich meine innere Unruhe. Es beruhigt mich auch, dass Chota bei den einheimischen Tauchguides bekannt ist.

Gemeinsam checken wir die Ausrüstung, die ich von ihm gestellt bekomme. Dann geht es zwanzig Kilometer hinaus aufs offene Meer. Der Wind pfeift mir um die Ohren, während das Motorboot blitzschnell über die Wellen springt. Beim Zurückschauen wird die Skyline der Stadt immer kleiner, während die Kerama-Inseln am Horizont immer deutlicher hervortreten. Im Verlaufe der 30-minütigen Fahrt gibt Chota mir noch letzte Anweisungen für die Tauchplätze.

Gleich werde ich in das oft von Tauchern beschriebene einzigartige „Kerama Blue“ eintauchen – diese leuchtende, tiefblaue Farbe des Wassers ist unbeschreiblich. Ich weiß, dass die Sichtweiten unter Wasser in dieser Region oft über 30 Meter betragen. Daher kann ich es kaum erwarten, diese unglaubliche Unterwasserwelt zu erleben.

Die Inseln des Archipels: Mehr als nur Tauchspots

Der Kerama Shotō-Nationalpark, der erst am 5. März 2014, dem japanischen „Tag der Koralle“, gegründet wurde, ist ein wahres Juwel. Das Archipel besteht aus über 30 Inseln und Riffen, von denen jedoch nur vier dauerhaft von etwa 1500 Menschen bewohnt werden.

Die Inseln haben auch eine tragische Geschichte: Sie waren der erste Landungspunkt der US-Truppen während der Schlacht um Okinawa im März 1945. Obwohl die Erinnerungen an diese Zeit in Gedenkstätten bewahrt werden, ist unter Wasser zum Glück nichts mehr davon zu sehen – nur pure Natur.

Zwei unvergessliche Tauchgänge

Endlich ist es so weit: Mit meinem Guide Chota unternehme ich zwei Tauchgänge von jeweils etwa 30 Minuten Dauer und in einer Tiefe von bis zu 20 Metern.

Wir steuern einen der vielen Tauchplätze an, die die Inseln zu bieten haben, wo ich garantiert Korallengärten, Schildkröten und Fischschwärme erleben werde.

Beim Abtauchen explodiert die Welt um mich herum in Farben – es ist, als würde ich in ein lebendiges Farbenspiel gleiten, das sich mit jeder Flossbewegung neu zusammensetzt.

Die Korallen hier sind unglaublich bizarr geformt und doch so wunderschön. Manche schweben wie filigrane Blumen im Wasser, ihre Blütenblätter leuchten in allen erdenklichen Violett- und Orangetönen. Andere breiten sich aus wie feine, verästelte Sträucher, die sanft in der Strömung wiegen, während wieder andere den Untergrund wie feste, bemooste Felsenkappen bedecken.

Wenn Chota sie mit seiner Taschenlampe anleuchtet, ist das ein magischer Moment, denn plötzlich erstrahlen sie in einem oft noch intensiveren Farbton, als ob die Farben im Verborgenen nur auf diesen Augenblick gewartet hätten.

Das unterstreicht einmal mehr, wie wichtig der Schutz der Korallen nicht nur in dieser Region ist. Überall um mich herum wimmelt es von Leben. Ich schwebe über Korallengärten, die mit über 250 verschiedenen Arten überwuchert sind – harte Geweihkorallen und sanft schaukelnde Weichkorallen in allen Formen und Farben. Im Internet habe ich im Vorfeld meiner Reise nachgelesen, dass über 60 % aller rifftragenden Korallen Japans hier zu finden sind!

Und die Meerestiere! Die wahren Stars dieser Unterwasserbühne sind die Fischschwärme. Was für eine unvorstellbare Vielfalt! Sie bewegen sich wie lebende Wolken, mal dicht gedrängt, mal lösen sie sich auf und formen sich neu – ein endloses Ballett aus Bewegungen und Farbkombinationen.

Winzige, neonfarbene Riffbewohner ziehen in unglaublicher Präzision ihre Kreise, und riesige Schwärme von silbrig glänzenden Fischen reflektieren das Sonnenlicht, als wären sie mit Glitzersteinen besetzt.

Die Muster auf ihren Körpern sind so komplex und einzigartig; da könnte sich selbst der fantasievollste Designer die größte Mühe geben, er würde diese Formen nicht erschaffen können, da bin ich mir sicher. Ich sehe feine Streifen, auffällige Punkte und aufwendige geometrische Formen – es ist einfach atemberaubend.

Für mich ist es ein Wunder der Natur, wie diese vielen unterschiedlichen Fische ihre Artgenossen in diesem gewaltigen Blau zur Fortpflanzung finden.

Eine Begegnung der besonderen Art

Mitten in diesem Schauspiel habe ich eine Begegnung, die mir den Atem raubt: Eine Meeresschildkröte! Sie schwebt mit solcher Eleganz durch das Wasser, dass es aussieht, als würde sie nicht schwimmen, sondern fliegen, wie ein majestätischer Vogel im Element des Meeres. Ihr Panzer ist ein Wunder der Tarnung, farblich so perfekt auf die moosbewachsenen Steine des Canyons abgestimmt, in den wir gerade eintauchen, dass sie fast unsichtbar wird.

Die Meeresschildkröten hier sind wirklich etwas Besonderes; es ist einer der besten Orte in ganz Japan, um sie zu sehen. Wir tauchen für eine Weile regelrecht um die Wette mit ihr, gleiten Seite an Seite, und ich spüre eine tiefe, fast ehrfürchtige Verbindung zu diesem uralten Geschöpf.

Und dann, in der Ferne, werde ich auf einen kleinen Riffhai aufmerksam. Er gleitet anmutig und scheinbar mühelos durch das Wasser, ein Meister seiner Umgebung. Überraschenderweise ignoriert er uns völlig, als wären wir nur ein weiterer Teil der Szenerie. Es ist ein kurzer, aber unglaublich beeindruckender Moment, der die Wildheit und Unberührtheit dieser Welt unterstreicht.

Dieser Tauchgang ist für mich ein Erlebnis, das ich für immer in Erinnerung behalten werde und das mich zutiefst von Gottes Schöpfung beeindruckt.

Ein unerwartetes Abenteuer beim Auftauchen

Beim zweiten Tauchgang lassen wir uns mit der Meeresströmung treiben und verlieren dabei die anderen Taucher aus dem Sichtfeld. Es ist ein irres Gefühl, so leicht und schwerelos durch das klare Wasser zu gleiten.

Beim Auftauchen stellen wir fest, dass das Boot etwa 300 Meter von uns entfernt ist. Obwohl Chota eine orangene Seeboje gesetzt hat, findet uns das Boot nicht. Zu meiner Beruhigung erklärt er mir, dass er ein Handy in einer wasserdichten Box dabeihabe, um notfalls den Bootsführer zu kontaktieren.

Fast 30 Minuten treiben wir im Wasser, und nichts passiert. Ich kann mir in diesen Momenten sehr gut vorstellen, was wäre, wenn keine Hilfe käme. 

Ein Spielfilm kommt mir in den Sinn, den ich mit Spannung vor Urzeiten gesehen habe. Der Titel der filmischen Handlung ist mir entfallen, aber das ist in diesem Augenblick auch nicht wichtig. Ich erinnere mich, dass die Szene im Meer spielt und Schwimmende nicht mehr in ihre Yacht zurückkehren können, weil sie vergessen hatten, eine Leiter vorher anzulegen. 

Und genau in diesem Moment erscheint ein Hai. Natürlich nicht in meiner Situation, sondern im Film.

Auch Chota wird nun leicht nervös, weil bislang noch immer kein Anzeichen zu sehen ist, dass das Boot auf uns zukommt. Doch er hat an alle Eventualitäten gedacht und aktiviert ein Signalhorn an der Boje, die mit der Luft aus seiner Flasche funktioniert.

Die Rückkehr in den sicheren Hafen

Endlich! Jetzt erkennt uns das Boot und kommt auf uns zu. Am Ende sind alle etwas erleichtert, dass unsere Tauchcrew wieder vollzählig ist und wir zurück in den sicheren Hafen von Naha fahren können.

Am Kai steuert der Kapitän sein Schiff elegant rückwärts an die Betonmauer. Er steht dabei oben auf dem Deck und navigiert das Boot mit einem Joystick, der über ein Kabel mit dem Ruder verbunden ist – einfach genial!

Gedankenverloren in der Yui Rail

Und was kann der restliche Tag mit solchen Erlebnissen auf und unter dem Wasser sonst noch bieten? Eigentlich nur eines: die Ruhe, um das Geschehene für mich noch einmal bewusst in Dankbarkeit zu reflektieren.

Ich suche mir dafür einen geeigneten Ort in den Lüften aus und fahre mit der leuchtend weissblauen Yui Rail, die auf ihren hohen Stelzen über den Dächern der Stadt schwebt. Es ist keine dieser futuristischen Magnetschwebebahnen, sondern eine clevere Einschienenbahn auf Gummireifen, das absolute Herzstück des Nahverkehrs auf Okinawa.

Der Name selbst, „Yui Rail“, fühlt sich für mich schon vertraut und freundlich an. Er kommt vom okinawanischen Wort „yui maaru“, was „gegenseitige Hilfe“ oder „Verbundenheit“ bedeutet.

Und genau diese Wörter drücken für mich das aus, was ich heute beim Tauchen im „Kerama Blue“ mit den neu gewonnenen Tauchfreunden erlebt habe.

On the Road nach Norden

Ein neuer Tag beginnt im Prince Smart Inn Hotel. Schon beim Aufwachen spüre ich unmittelbar, wie zeitgemäß und reibungslos die Abläufe in meiner Unterkunft funktionieren. Mit einem einfachen „Hello AI“ steuere ich die Vorhänge, das Licht und die Klimaanlage in meinem Zimmer vollautomatisch, ein Service, der in vielen Einrichtungen im modernen Japan zum Standard gehört.

Der Mietwagen-Roboter und die Fahrt gen Norden

Nach einem schnellen Frühstück hole ich meinen Mietwagen für den heutigen Ausflug in den Norden der Insel ab. Das ist für mich ein echtes Highlight: Mein Auto steht vermutlich in einem riesigen Regal im Obergeschoss des Hotels, von wo es mit der Eingabe in den Computer durch den Angestellten wie von Geisterhand automatisch mit einem Lift zur Ausfahrt auf die Straße befördert wird. 

Ich steige in meinen blauen Mazda ein und fahre los, raus aus Naha. Mittlerweile habe ich mich beim Fahren an die vielen, Signaltöne gewöhnt, die das Auto mir als Hinweise mitteilt. Am meisten hat mich bislang der Dauerton bei meinen ersten Fahrversuchen in der Stadt genervt, bis ich erkannt habe, dass dieses Signal immer dann kommt, wenn ich bei meiner defensiven Fahrweise sehr leicht das Bremspedal zeitgleich mit dem Gasgeben beim Losfahren an den teilweise unübersichtlichen Kreuzungen der Hauptverkehrsstraßen von Naha betätige.

Meine heutige Fahrt außerhalb der Stadt führt mich vorbei an akkurat gepflegten amerikanischen Kasernen, die sich erstaunlich unauffällig in die Landschaft einfügen. 

Auf Okinawa,  dem zentralen Standort für die US-Streitkräfte in Japan, sind zur Zeit rund 30.000 Soldaten stationiert, die mit ihren Familienangehörigen oft in diesen abgeschotteten Militärbasen mit einer eigenen Infrastruktur leben. 

Trotz dieser Zurückgezogenheit kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit den Einheimischen, die aufgrund von Lärm, Umweltproblemen und einzelner Übergriffe zu Protesten der Bevölkerung führen, die eine Reduzierung der Präsenz einfordern. 

Auch wenn es Bemühungen auf beiden Seiten um eine bessere Verständigung gibt, bleibt die Beziehung komplex und von historischer Belastung geprägt. Die Zukunft der Stationierung sieht eine geplante Reduzierung und Verlagerung von Truppen vor, wobei Teile der Marines in andere Pazifikstandorte wie Hawaii oder Australien verlegt werden sollen. Einen genauen Plan dafür gibt es jedoch noch nicht, womit es weiterhin ein wichtiges und sensibles Thema in den japanisch-amerikanischen Beziehungen sein wird. 

Mein erstes Ziel ist das sogenannte Elefantenauge an der Küste, eine beeindruckende Felsformation, die aussieht, als hätte ein riesiger Elefant seinen Kopf ins Meer gesteckt. Neben dem fotogenen Naturerlebnis schätzen besonders chinesische Touristen diesen Ort, da das nahegelegene Informationszentrum eine Fülle an Restaurants und Geschäften bietet, die genau ihren Vorstellungen eines komfortablen Ausflugs entsprechen. Hier finden sie alles, was sie für ein rundum gelungenes Naturerlebnis mit dem gewissen Extra an Bequemlichkeit und Service erwarten.

Weiter geht mein Roadtrip auf die Kouri-Insel. Dieses kleine Archipel ist ein wahres Naturerlebnis, das mit dem Festland durch die zweikilometerlange Kouri-Brücke verbunden ist, die sich bei dem strahlend blauen Himmel als fantastisches Fotomotiv für fast alle Touristen anbietet. Bei meiner Fahrt über das Viadukt genieße ich die atemberaubende Ausblicke auf das smaragdgrüne Meer zu beiden Seiten. 

Kouri Island selbst wird auch als „Insel der Liebe“ bezeichnet, was auf eine lokale Legende zurückgeht: Ähnlich der biblischen Geschichte von Adam und Eva, sollen hier die ersten Menschen auf der Erde gelebt haben, ein Paar, das in einer Höhle auf der Insel verweilte und sich von den Gaben des Himmels ernährte, wodurch sie die Vorfahren der Menschheit wurden.

Im Norden der Insel erinnern symbolisch zwei Felsen im Meer an diese Legende, die von Natur aus eine Herzform bilden und ein beliebtes Ziel für Verliebte sind.

Bei meiner Wanderung zu dieser Sehenswürdigkeit, die auch als Heart Rocks bezeichnet wird, sehe ich junge Paare, die sich in verschiedenen Posen vor diesen markanten Felsen ablichten lassen. Einige von ihnen haben einen professionellen Fotografen mitgebracht, den sie extra für die perfekt inszenierten romantischen Erinnerungsfotos der ewigen Liebe mit der idyllischen Kulisse im Hintergrund gebucht haben.

Der lange Schatten aus der Plastikwelt 

Bei meiner kurzen Wanderung am Strand fällt mir aber auch etwas auf, dass die Idylle trügt und mich nachdenklich stimmt. Im scharfen Kontrast zur malerischen Szenerie liegt an vielen Stelle am Übergang zu der dichten, grünen Pflanzenwelt Plastikmüll, der vom Meer angeschwemmt wurde. Von Flaschen und Verpackungen bis hin zu Resten von Fischernetzen, der Strand ist in diesen Bereichen übersät mit den Hinterlassenschaften menschlicher Aktivitäten. Es ist für mich ein sehr trauriger Anblick, da er zu der sonst so unberührten Schönheit der Insel überhaupt nicht passen will. 

Obwohl Japan im Allgemeinen für seine strenge Mülltrennung und Sauberkeit bekannt ist, stellt angeschwemmter Meeresmüll, der oft aus anderen Ländern stammt, eine große Herausforderung für das Land dar. Diesen Müll zu beseitigen ist aufwändig und kostet viel, sodass sich vermutlich keiner für die notwendigen Aufräumaktionen verantwortlich fühlt.

Japan hat zwar eines der besten Recyclingsysteme weltweit, bei dem der Müll in bis zu zehn Kategorien getrennt wird, jedoch wird ein großer Teil des gesammelten Plastiks nicht mechanisch im Sinne einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft wieder aufbereitet, sondern zur Energiegewinnung verbrannt, was im Widerspruch zu den gezielten Sammlungen steht. 

Mich erinnert dieser schockierende Anblick eindringlich und unmittelbar daran, wie global die Problematik des Plastikmülls in unseren Ozeanen ist und selbst solche idyllische Orte wie Kouri-Island erreicht.

Eine Reise in die traurige Vergangenheit Okinawas 

Von der Küste in der Inselmitte fahre ich am Nachmittag zurück in den Süden, zum Okinawa Prefectural Peace Memorial Museum. Ich lasse dabei bewusst die vielen Sehenswürdigkeiten in den anderen Regionen der Insel aus, für die es noch Tage dauern würde, um sie aktiv zu erleben. 

Da ich aber nur den heutigen Tag für die Erkundung zur Verfügung habe, bevor ich morgen wieder zurück nach Osaka zurückkehren werde, folge ich meinem Herzenswunsch, dass Mahnmal zu den schrecklichen Ereignissen auf Okinawa am Ende des Zweiten Weltkriegs zu besuchen. 

Der „Taifun aus Stahl“

Auf dem Weg dorthin höre ich mir einen Podcast über die Schlacht um Okinawa an, den „Taifun aus Stahl“ von 1945.

Dieser Name ist eine treffende Beschreibung für die Intensität und Brutalität der letzten großen Landschlacht des Zweiten Weltkriegs.

Von April bis Juni 1945 tobte hier ein unerbittlicher Kampf zwischen den Alliierten, hauptsächlich den Vereinigten Staaten, und dem Kaiserreich Japan. Es war eine Zeit, so wird mir von dem Sprecher erklärt, der sich in dem Beitrag mit einem amerikanischen Militärexperten hierzu austauscht, in der der Krieg in Europa bereits im Mai 1945 beendet war, doch die Gewalt im Pazifik weiter eskalierte.

An der Küste von Okinawa angekommen, erlebten die US-Soldaten zunächst das von Hawaii gewohnte „Beach Feeling“ mit Bier und Barbecue. Die Japaner hatten sich indes schon im schwer zugänglichen, zerklüfteten Inneren der Insel verschanzt.

Beim Vordringen der Amerikaner in das Landesinnere erlebten sie unerwartet harte Gefechte und waren von der Intensität des japanischen Widerstands völlig überrascht, was zu einem verlustreichen Stellungskrieg in Höhlen und unterirdischen Bunkern führte.

Die Bezeichnung „Taifun aus Stahl“ bezieht sich nicht nur auf die immense Feuerkraft und die unzähligen Bomben und Granaten, die auf die Insel niedergingen, sondern auch auf die verheerende Zerstörung, die Okinawa, insbesondere im Süden, in Schutt und Asche legte. Es war ein Kampf, der immense Opfer auf beiden Seiten forderte, aber vor allem die Zivilbevölkerung Okinawas in unvorstellbares Leid stürzte.

Besonders erschütternd finde ich beim Hören der Sendung, dass viele Japaner, sowohl Soldaten als auch Zivilisten, aus Angst vor den Amerikanern kollektiven Selbstmord begingen, der teilweise sogar von der japanischen Armeeführung angeordnet wurde. Ein besonders tragisches Beispiel hierfür ist das Schicksal von etwa 1000 Schülern, die zusammen mit ihren Lehrern unter Befehl des Militärs in den Tod getrieben wurden, um der Gefangennahme zu entgehen. Für sie wurde ein eigenes Mahnmal zum Gedenken auf der Insel errichtet.

Der amerikanischen Militärführung wurde nach dieser verlustreichen Schlacht mit ihren hohen Opferzahlen klar, dass die Eroberung der anderen japanischen Hauptinseln bei einem direkten Angriff noch lange dauern und unzählige weitere amerikanische Leben fordern würde.

Aus dieser Erkenntnis heraus und in der Hoffnung, den Krieg schnell zu beenden und weitere Invasionen zu vermeiden, stimmte der damalige Präsident Harry S. Truman dem Abwurf der Atombombe auf Hiroshima am 6. August 1945 zu.

Doch selbst nach diesem ersten Atombombenabwurf wollte die damalige japanische Regierung noch immer nicht kapitulieren. Daher kam es am 9. August 1945 zu einem zweiten, nicht geplanten Abwurf der Atombombe auf Nagasaki auf der Insel Kyushu.

Erst danach kapitulierte die japanische Regierung bedingungslos, und der Krieg wurde beendet. In diesem Zusammenhang nahmen sich viele japanische Generäle und hohe Militärs das Leben, um die Schande der Niederlage zu vermeiden.

Das Okinawa Prefectural Peace Memorial Museum

Die Geschichten und Tatsachen über diesen brutalen Krieg sind für mich sehr bedrückend. Als ich im Okinawa Prefectural Peace Memorial Park ankomme, der eine weitläufige Anlage im Süden der Insel bildet und direkt an das Meer angrenzt, bin ich bereits tief betroffen.

Der Gedächtnispark mit dem Museum ist ein ergreifendes Mahnmal für die etwa 200.000 Kriegsopfer, darunter über 94.000 Zivilisten, die in dieser blutigen Schlacht in einer kurzen Zeitspanne von nicht einmal drei Monaten ihr Leben ließen.

Die Exponate, die in dem Museum ausgestellt werden, darunter persönliche Gegenstände der Opfer, eindringliche Fotografien und Dokumentationen, zeugen von den Gräueltaten des Krieges und der Stärke des menschlichen Geistes, der trotz allem nach Frieden strebt. 

Beim Betrachten dieser Exponate und dem Durchlesen der erklärenden Texte muss ich unweigerlich an meinen letzten Besuch im KZ Dachau denken, der in ähnlicher Weise die Gräueltaten des Krieges unvergesslich dokumentiert.

Als Erkenntnis beim Lesen der Informationen zu den geschichtlichen Hintergründen des Krieges im Pazifik und zwischen den Anrainerstaaten stelle ich für mich fest, dass die Auslöser für die unsäglichen Kriege immer Machtansprüche einzelner Interessengruppen waren, die zu Handelsstreitigkeiten und Gebietsansprüchen führten. 

Und genau diese Gründe führen auch heute noch zu den aktuellen Kriegen auf unserem wunderschönen Blauen Planeten mit den einfachen Menschen als Leittragende. 

Der Okinawa Prefectural Peace Memorial Park ist daher für mich ein lebendiges Mahnmal für den Frieden in dieser Welt, auch wenn dieser gegenwärtig auf sehr wackligen Beinen steht.

Im Außenbereich der Anlage befinden sich die sogenannten „Cornerstones of Peace“. Das sind grauschwarze Marmorwände, auf denen die Namen aller bekannten Opfer des Krieges, sowohl der Japaner als auch der Amerikaner, in weißer Schrift auf den Gesteinsblöcken eingraviert sind. Diese schiere Dimension des Verlustes, die hier in dem Meer von Namen greifbar wird, macht den Park für mich zu einem noch eindringlicheren Ort des Gedenkens.

Nach dem Krieg blieb Okinawa noch lange unter amerikanischer Verwaltung und wurde zu einem wichtigen Stützpunkt für die US-Streitkräfte in Asien. Erst im Jahr 1972 wurde Okinawa schließlich an Japan zurückgegeben und durfte sich wieder selbst bestimmen, auch wenn die Präsenz der US-Militärbasen bis heute ein umstrittenes Thema bleibt.

Mit so vielen verschiedenen Eindrücken im Kopf komme ich nach meinem zweihundert Kilometer langen Road Trip auf Okinawa abends wieder in meinem Hotel an. Für mich war es ein Tag voller Kontraste. Ich lasse die Eindrücke Revue passieren und merke, wie vielseitig und tiefgründig Okinawa ist. Es war ein Tag, den ich nicht vergessen werde.

Meine Reflexionen über das Land der aufgehenden Sonne

Japan 🇯🇵 ist für mich immer wieder erfrischend anders. Ich mag die Höflichkeit, die Freundlichkeit und den Respekt der Menschen untereinander, ihre Neugierde gegenüber dem Unbekannten, ihre Zuverlässigkeit, die Struktur, die Sauberkeit und die Sicherheit im Alltag, sodass für mich das Zurechtfinden im Tagesgeschehen sehr einfach ist und ich die vielen positiven Eindrücke, die das Land und seine Menschen mir bieten, intensiv wahrnehmen kann. 

Manchmal sind es nur die kleinen Dinge in den Abläufen, die diese Beschreibungen bestätigen, wenn zum Beispiel sich die beiden Angestellten in dem Hotel Nikko Kansai Airport bei meiner Eingabe der Geheimzahl für die Visitkarte zur Bezahlung der letzten Übernachtung gemeinsam synchron umdrehen. 

Auch wenn sicherlich viele Werte der Japaner meistens nur an der Oberfläche existieren und insbesondere für Ausländer nur im Außen wahrgenommen werden, so sind sie doch ein zentraler Bestandteil und auch ein Spiegelbild der heutigen Gesellschaft in Japan. 

Schon jetzt, einen Tag vor meinem Rückflug nach München, spüre ich, das ich das Gefühl „Made in Japan“ baldigst vermissen werde. 

Wenn Japaner einen guten Freund verabschieden, der ihr Haus oder einen Ort verlässt und voraussichtlich zurückkehren wird, sagen sie in einem herzlich und freundlich gemeinten Ton:

„Geh und komm gut zurück, bleib gesund“

Itte rasshai, O-genki de!

 🇯🇵 Arigatou gozaimasu! 

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