Islands Naturgewalten hautnah erleben

Das Land aus Feuer und Eis (Teil 2).

Der Vulkan Fagradalsfjall spuckt wieder Feuer

Ein besonderes, unvergessliches Erlebnis auf Island war in diesem Jahr seit Anfang August am Berg Fagradalsfjall zu erleben. Dieser Tafelvulkan, der sich etwa vierzig Kilometer südwestlich von Reykjavik befindet, entstand während der letzten Eiszeit auf der Halbinsel Reykjanes.

Im letzten Jahr war er das erste Mal seit achthundert Jahren kurzzeitig aktiv, um anschließend in einen monatelang andauernden Schlaf zu verfallen. Zur Freude der Vulkanforscher, Fotografen und sonstigen Verehrer spuckte nun der Berg wieder seine rot glühende Lavamassen in die Umgebung und lieferte somit auch die gewünschten spektakulären Bilder für die Touristen Vorort.

Ich konnte einen der Vorboten der jüngsten Eruption zwei Tage zuvor, an einer Bushaltestelle in Reykjavik wartend, mit einem kleinen Erdbeben spüren. Ein Gefühl, als ob unter meinen Füssen alles davon schwimmen würde. 

Heute, an diesem Regentag Anfang August, gab es für die angereisten Zuschauer kein halten mehr, um das Schauspiel mit den eigenen Augen zu verfolgen. Jeder, der in dieser Zeit auf der Insel befindliche Tourist, will das Ereignis leibhaftig gesehen haben. Schon in der Nacht zuvor war es das beherrschende Gesprächsthema beim Austausch mit Reisenden aus der ganzen Welt auf dem nahegelegenen Campingplatz in dem Küstenort Grindavik.

Parken auf einem Nebenweg für die Wanderung zum Vulkan Fagradalsfjall.

Und obwohl eine Zufahrt zum Parkplatz am Berg am morgen durch die Polizei aufgrund des schon winterlichen Wetters gesperrt war, zog der Tross an Schaulustigen an einer anderen, nicht bewachten Seite der Bergkette zwei Stunden hinauf zum Gipfel. All die Strapazen bei dem Starkwind und dem anhaltenden Eisregen haben sich gelohnt, denn die Blicke von der Bergspitze auf die nahegelegene, mehrere hundert Meter lange Erdspalte, aus der die rote Lavamasse unaufhörlich spritzt, sind unvergesslich.

Der aktive Vulkan Fagradalsfjall spuckt wieder Feuer und Lava.

Die einfachere Variante, um dieses Naturschauspiel zu beobachten, ist ein Helikopterflug über den Vulkan für etwa fünfhundert Dollar ab Reykjavik mit einer Flugdauer von vierzig Minuten. Aber diese Variante wählen dann doch eher die Fußkranken, die damit auch einen zusätzlichen ökologischen Fußabdruck auf der Insel hinterlassen.

Völlig durchnässt bin ich bei meiner Rückkehr zum Ausgangspunkt der Tour froh, für die anschließende Weiterfahrt in den Süden Islands einen Mietwagen zu haben. Denn das stürmische Regenwetter wird sich an diesem Tag nicht ändern. Die Klimaanlage in meinem kleinen, grauen Hyundai i10 und die Heizung der Vordersitze laufen jeweils in der höchsten Leistungsstufe der Aggregate, um die Sachen bei der Autofahrt wieder etwas trocknen zu können. 

Baden in den heißen Quellen von Reykjadalur

Meine weitere Reise führt mich in eines der größten Geothermalgebiete Islands, das sich etwa fünfzig Kilometer südöstlich von dem Vulkan Fagradalsfjall entfernt in unmittelbarer Nähe des Ortes Hveragerði am Zentralvulkan Hengill befindet.

Durch die vielen aktiven Vulkane gibt es auf der Insel reichlich Wärmeenergie im Boden, die zur Stromerzeugung und zum Heizen intensiv genutzt wird. Bereits Anfang der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurde hier, in dem Reykjadalur Geothermalgebiet, das Wasser aus den heißen Quellen zum Beheizen von Gewächshäusern verwendet. Mehr als zwei Drittel des auf der Insel konsumierten Gemüses wächst inzwischen in solchen Anlagen. Heutzutage befindet sich in den Gewächshäusern des Ortes Hveragerdi eine der größten Bananenplantagen Europas.

Mitten im Ort liegt ein Hochtemperaturgebiet direkt unterhalb der Stadtkirche. Im Vorbeifahren sehe ich in den Gärten einiger Vorstadthäuser den weißen nach oben steigenden Dampf. In diesem Gebiet werden Temperaturen von bis zu dreihundert Grad Celsius im Erdinneren bei einer Tiefe von etwa eintausend Metern gemessen. In der Regel treten solche hohe Temperaturen erst in weitaus tieferen Erdschichten auf.

Ein Wanderweg, der am Ortsausgang beginnt, soll mich auf einer gut ausgebauten Strecke nordwärts zu einem Heißquellengebiet in den nahegelegenen Bergen bringen, das zu den schönsten Naturbadeplätzen Islands zählt. Der Pfad führt steil bergauf durch die grünen, feuchten Wiesen, vorbei an zahlreichen dampfenden Stellen und zischenden Löchern, um schließlich den Bach Reykjadalsa auf einer Brücke zu überqueren.

Wanderung zu einem der schönsten Naturbadeplätze der Insel.

Unterwegs treffe ich auf einen Vater mit seinen beiden kleinen Kindern, die bereits in einem der ersten Schlammlöcher zufrieden hocken. Sie haben sich auf alle Fälle die Anstrengungen für den weiteren Anstieg bis zum eigentlichen Badeplatz erspart und und lassen sich bei ihrem Vergnügen in der warmen Pfütze auch nicht von dem herabprasselnden Regen stören.

Am Ziel der Wanderung angekommen, erwarten mich am Bach mit dem heißen Wasser eine Plattform und Wände aus Holz, die beim Umziehen vor dem Wind und möglichen fremden Blicken schützen sollen. Doch an dem heutigen Tag sind derartige Vorkehrungen nicht erforderlich, denn ich bin der einzigste, der bei unablässigem Dauerregen mutig die Treppen hinab in das warme, braune Wasser steigt. Der Starkwind bläst die feinen Regentropfen unaufhaltsam mit voller Wucht mir mitten in das Gesicht und lässt sie dabei zu Geschossen werden. Ein Gefühl, als ob die Haut durch feinste Akupunkturnadeln traktiert werden würde.

Die Freude an diesem einzigartigen Badevergnügen währt daher auch nur für kurze Zeit, denn zu stark ist der Regen, so dass ich so schnell wie möglich in meine bereits völlig durchnässte Outdoor-Ausrüstung krieche und den sechs Kilometer langen Weg zurück zum Ausgangspunkt der Wanderung antrete.

Wasser von oben und von unten im Quellgebiet von Reykjadalur.

In diesem Moment ist es gut für mich zu wissen, dass mit der anschließend Weiterfahrt bis in die Stadt Selfoss als das selbst erklärte Tagesziel mir noch Zeit verbleiben wird, um die Sachen im Auto wieder etwas trocknen zu können, bevor die kommende Regennacht im Zelt anbrechen wird.

@ Wer die Wanderung zu einem der schönsten Naturbadeplätze unternehmen möchte, dem sei zur Orientierung der Rother Wanderführer empfohlen: ROTHER Wanderführer Island, Gabriele und Christian Handl, 9. vollständig überarbeitete Auflage 2022, Rother Bergverlag GmbH, ISBN 978-3-7633-4005-7.

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