Die Textpassagen wurden als Zitate dem Buch „Go West. Unterwegs im anderen China“ entnommen. Die Fotos sind Smartphone Momentaufnahmen bzw. iStock (i) und Pexels (P) Bilder (siehe ID’s bei den Bildunterschriften).
Gansu sieht auf der Landkarte aus wie ein dahingeworfenes ausgebreitetes Handtuch. Das lang gestreckte Territorium, das von Zentralchina bis in den Nordwesten des Landes reicht und dort sogar eine kurze Grenze mit der Mongolei hat, trug bereits im Altertum den Namen Gansu oder auch Hexi, was übersetzt »westlich des Flusses« bedeutet. Es gehört zu den Ursprungsregionen der chinesischen Zivilisation. Die meisten Menschen in dieser Provinz leben am Mittellauf des Gelben Flusses, der als zweitlängster Fluss Chinas im Hochland von Tibet entspringt.
Ein bedeutender Teil Gansus liegt höher als 1000 Meter über dem Meeresspiegel, begrenzt von fünfmal höheren Gebirgen im Westen. Im Norden erstreckt sich die sagenumwobene Wüste Gobi. Obwohl Gansu größer als Deutschland ist, hat es nur rund ein Drittel der Einwohnerzahl. Die meisten Menschen wohnen in der Hauptstadt Lanzhou, mit fast vier Millionen die bevölkerungsreichste Stadt der Provinz.
Gansu war früher vor allem für die verschiedenen Posten entlang der Seidenstraße bekannt. Auch heute noch sind die Wachtürme ein Hauptmerkmal vieler Ortschaften. Diese alte Handelsmagistrale benutzten schon die Römer für den Transport der begehrten chinesischen Seide. {Weiterlesen im Buch, Seite 47}
Chinas geografische Mitte
In der späten milden, fast schon sommerlichen Abendsonne trifft der Flieger in Lanzhou ein, das sich stolz als das »Drehkreuz Westchinas« bezeichnet. {Weiterlesen im Buch, Seite 50}
Die Landschaft mit den Sandbergen am Straßenrand ist nicht vergleichbar mit der in Beijing. Nur die Uhrzeit ist die gleiche wie in ganz China. Umgeben von Bergen liegt Lanzhou am Oberlauf des Gelben Flusses, der durch das Stadtzentrum über eine Länge von fünfzig Kilometern hindurchfließt. Eine kleine Stadt im Vergleich zu den anderen riesigen Metropolen des Landes, mit etwas mehr als vier Millionen Einwohnern. {Weiterlesen im Buch, Seite 50}
Was mir im Stadtbild bei der Suche nach einem Restaurant auffällt, sind die vielen Moscheen und Tempelanlagen, die den Anblick der üblichen grauen Plattenbauten etwas auflockern. Lanzhou ist in ganz China bekannt für das islamische Leben als eine offiziell genehmigte gelebte Kultur. Das merke ich spätestens, als ich in einem der typischen einfachen muslimischen Restaurants meine Grillpfanne mit viel Gemüse und Fisch direkt am Tisch zubereitet bekomme. Das Bier dazu muss in dem Laden gegenüber gekauft werden.
Den besten Blick auf die Stadt mit dem Betonmeer an stecknadelähnlichen Hochhäusern habe ich am nächsten Tag vom Park mit der Weißen Pagode aus, der an einem Berg am nördlichen Ufer des Gelben Flusses liegt. Ein prächtiger Komplex mit Tempeln, Herrenhäusern, Palasthöfen und immergrünen uralten Bäume. Das ist einer jener Orte, an denen ich wie ein Einheimischer für Augenblicke Ruhe im Einklang mit der Natur finde.
Unterhalb meines Standorts wird der Gelbe Fluss, der seinen Namen durch die mitgeführten Sedimente und die daraus entstehende Wasserfärbung erhielt, von einer großen Brücke überspannt. Dieses technische Denkmal wurde Anfang des letzten Jahrhunderts mit Brückenteilen und Baumaterialien aus Deutschland gebaut und ist heute nur noch für den Fußgängerverkehr geöffnet.
Es war die erste feste Brücke, die über den viertlängsten Fluss der Erde führte. Jahrhundertelang war die Überquerung des Gelben Flusses in Lanzhou nur über eine einfache Pontonbrücke möglich, die bei Hochwasser oft beschädigt wurde und in jedem Winter wegen Eisgangs abgebaut werden musste. {Weiterlesen im Buch, Seite 51}
Die Provinzhauptstadt Lanzhou als „Drehkreuz im Westens Chinas (li. P6119402_1920, re. i611617426).
Der nächste Morgen ist regnerisch und kühl. Genau das richtige Wetter für einen entspannten Ausflug mit dem Auto achtzig Kilometer in Richtung Südwesten zur Liujiaxia-Talsperre am mittleren Oberlauf des Gelben Flusses. Der Stausee wird wegen der touristischen Sehenswürdigkeit der Bingling-Tempel am Nordufer auch »See der zehntausend Buddhas« genannt. In dieser Tempelanlage, die nur mit dem Boot erreichbar ist, gibt es heute noch 183 größere und kleinere Höhlen in einer schwer zugänglichen, von bizarren Sandsteinfelsen gerahmten Schlucht mit insgesamt 694 Steinstatuen und 82 Lehmfiguren in verschiedenen Größen.
Leider werde ich heute die Tempelanlage, die als eines der bedeutendsten chinesischen Kulturgüter zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, nicht zu Gesicht bekommen. Wie sich herausstellt, beginnt die Saison erst später im Mai. {Weiterlesen im Buch, Seite 52}
Die Liujiaxia-Talsperre am mittleren Oberlauf vom Gelben Fluß; Ausgangspunkt für eine Bootsfahrt zu der Bingling Tempelanlage (re. i1265066175).
Die rasante Entwicklung Chinas in den letzten Jahren mit den gewaltigen Veränderungen in der Natur und für die Menschen bekomme ich am nächsten Tag bei meiner Weiterfahrt aus Lanzhou nach Nordwesten zu sehen. Überall wird gebaut für Neues, für Menschen, die in dieses Gebiet im tiefen Westen umsiedeln sollen, um an der Umsetzung der Neuen Seidenstraße mitzuwirken.
Unzählige Bauprojekte in Lanzhou und Umgebung für den Ausbau der Neuen Seidenstraße als eine Grundlage für das weitere Wirtschaftswachstum in China (li. i970398978, re. i973996514).
Go West, alles folgt dem Plan, der für die nächsten Jahre zentral von der Behörde in Beijing ausgearbeitet wurde. Chinas Regierung will die Verstädterung fördern, um neues Wachstum in den eigens dafür ausgewiesenen Entwicklungszonen zu schaffen, wie es sie bereits in Shanghai, in Chongqing und anderen Teilen des Landes gibt. Im Nordwesten, sechzig Kilometer von der Hauptstadt der Provinz Gansu entfernt, entsteht die Stadt Lanzhou Neues Gebiet, die am Reißbrett entworfen wurde. {Weiterlesen im Buch, Seite 55}
An der alten Seidenstraße
Etwa in der Mitte der Tagesetappe erblicke ich im Osten in unmittelbarer Nähe der Autobahn das erste Mal die Reste der Chinesischen Mauer, die von den Einheimischen als »Lange Mauer« bezeichnet wird: das größte Bauwerk der Welt, … {Weiterlesen im Buch, Seite 56}. Hier, am östlichen Rand der Seidenstraße, wurde dieser Schutzwall hauptsächlich aus sandfarbenem Stampflehm erbaut. Auch die Ausmaße der Mauer sind hier kleiner als bei den Abschnitten in anderen Provinzen.
Reste der Chinesischen Mauer mit Wachturm in der Provinz Gansu (i926398800).
Auf der Weiterfahrt nach Nordwesten geht es fünfhundert Kilometer auf der Autobahn G30 entlang des Hexi-Korridors in die Stadt Zhangye als Ausgangsort für Erkundungen in der Umgebung. Dieser Korridor ist eine schmale, lang gestreckte Passage von über tausend Kilometer Länge und bis zu hundert Kilometer Breite. Als Teil der Seidenstraße im alten China war er der bedeutendste Durchgang nach Zentralasien.
Während der Fahrt nach Zhangye genieße ich die endlosen Blicke auf das schneebedeckte Qilian-Gebirge, das bis zu einer Höhe von etwa 6000 Metern aufragt. Eine filmreife Kulisse, wie in einem Filmklassiker amerikanischer Prägung.
On the road in der Provinz Gansu mit Blick auf das Qilian-Gebirge (P6132691_1920).
Etwa sechzig Kilometer westlich vor meinem heutigen Zielort, der Stadt Zhangye, befindet sich der Qicai-Danxia-National-Geopark. {Weiterlesen im Buch, Seite 57}
Qicai-Danxia-National-Geopark (P713415_1920).
Die Stadt Zhangye, in der ich an diesem erlebnisreichen Tag übernachten werde, war früher an der alten Seidenstraße ein wichtiges Handelszentrum und die am weitesten im Nordwesten gelegene befestigte Stadt des Landes. Heute verbreitet der Ort eher den Charme einer Durchgangsstation für die vielen Reisenden.
Von hier aus breche ich am nächsten Morgen auf, um die Matisi- Grotten am Westufer des Flusses Mati zu besichtigen. Dieser Komplex, der ebenfalls auf der Liste der Weltkulturerbestätten steht, umfasst etwa siebzig buddhistische Höhlentempel mit mehr als fünfhundert Statuen und unzähligen Wandgemälden. {Weiterlesen im Buch, Seite 58}
Diese einzigartige Aussicht auf die Berge begleitet mich auch bei meinem nachfolgenden Besuch des am Felsen hängenden alten buddhistischen Mati-Klosters, etwa siebzig Kilometer südlich des Stadtzentrums von Zhangye. {Weiterlesen im Buch, Seite 59}
Die Matisi- Grotten am Westufer des Flusses Mati in der Nähe der Stadt Zhangye (i830319988).
Zurück in Zhangye bleibt noch Zeit, bevor es dunkel wird, sodass ich mir in einem Park in der Stadtmitte den Tempel des Großen Buddha anschaue. Das ist ein gewaltiges Bauwerk, in dessen Innerem ein fünfunddreißig Meter langer schlafender Buddha liegt. Er ist als die größte Skulptur seiner Art in China bekannt. {Weiterlesen im Buch, Seite 60}
Zhangye, Eingang zum Tempel des Großen Buddha (i504133875).
Der Beginn vom Ende der Welt
Am nächsten Morgen geht es weiter mit meinem weißen Hyundai auf der alten Seidenstraße in die zweihundertzwanzig Kilometer entfernte Stadt Jiayuguan im westlichen Abschnitt des Hexi-Korridors. Jiayuguan wurde nach dem Pass benannt, der sich etwa sechs Kilometer südwestlich des Stadtgebiets an der engsten Stelle des Korridors befindet. Als einer der wichtigsten Kontrollposten an der Seidenstraße wurde er auch »Erster und größter Pass unter dem Himmel« genannt. Am Jiayuguan endet die Große Chinesische Mauer im Westen. Während der Kaiserzeit war dieser Ort in den Augen der Chinesen der Beginn vom Ende der Welt, aber auch das westlichste Tor zum zivilisierten China, zum eigentlichen Reich der Mitte. {Weiterlesen im Buch, Seite 60}
Die Festung Jiayuguan an der Alten Seidenstrasse am Ende der Welt (i177714573).
Die Festung befindet sich etwas außerhalb des Zentrums und ist leicht an den hohen Mauern zu erkennen, die im Norden und Süden mit der Großen Mauer verbunden sind. Am Ostrand der Festung liegt das Tor der Erleuchtung und im Westen das Tor der Versöhnung, durch das verurteilte und verbannte Kriminelle, Minister, Soldaten und all jene in das Vergessen geschickt wurden, die in China unerwünscht waren. {Weiterlesen im Buch, Seite 61}
Nicht allzu weit von der Festung entfernt ist an der steilen Felswand des Heishan-Bergs die Hängende Große Mauer zu sehen. Das rekonstruierte Stück der Mauer ist Teil des altertümlichen Bollwerks und sieht aus, als ob sie in der Luft hängt. {Weiterlesen im Buch, Seite 61}
Die Hängende Große Mauer an einer Felswand vom Berg Heishan in Jiayuguan (i520943800).
Knotenpunkt in der Wüste
Berge und Wüste . Diese Landschaft begleitet mich auch bei meiner Weiterfahrt nach Dunhuang, der mystischen Oasenstadt im Nordwesten von Gansu. In der endlosen Weite der Wüste Gobi tauchen plötzlich links und rechts neben der Autobahn große Windkraftanlagen mit etwa hundert Meter hohen Türmen und den langen Rotorblättern auf, die im Wüstenwind mit hoher Geschwindigkeit gleichförmig und endlos ihre Runden drehen. {Weiterlesen im Buch, Seite 62}
Windkraftanlagen im weltweit größten Windpark in der Nähe der Wüstenstadt Dunhuang (P6464521_1920).
Die vom Wind und von der Wüste geprägten klimatischen Bedingungen sind bei meiner Ankunft in Dunhuang nicht ganz so extrem, da sich die Gebäude dem Wind wie Wellenbrecher entgegenstellen. Aber auch hier überzieht eine feine Sandschicht die Straßen. Die Wolken am abendlichen Himmel haben eine leicht gelbliche Färbung. Schockierende Videos im Internet zeigen, wie hundert Meter hohe Staubwalzen die Stadt förmlich überrollen. {Weiterlesen im Buch, Seite 63}
Straßenszene in der Wüstenstadt Dunhuang (i993961134).
Dunhuang war während der Hochblüte der Seidenstraße ein bedeutender Knotenpunkt. Hier trennt sich die Seidenstraße in die südliche und nördliche Route zur Umgehung der Taklamakan, der zweitgrößten Sandwüste der Erde. {Weiterlesen im Buch, Seite 63}
Ein neuer Tag, ein neues Ziel. Am Vormittag fahre ich von Dunhuang zu den Mogao-Grotten, Chinas berühmtesten buddhistischen Grotten. Sie liegen etwa fünfundzwanzig Kilometer südöstlich des Stadtzentrums in einer Flussoase an der Seidenstraße. {Weiterlesen im Buch, Seite 64}
Kein Wunder also, dass die Mogao-Grotten auf der Liste des Weltkulturerbes stehen, da sie nicht nur eine der großartigsten Ansammlungen buddhistischer Kunst, sondern auch die am besten erhaltene buddhistische Schatzkammer weltweit sind. In der Blütezeit gab es hier achtzehn Klöster mit über tausend Mönchen und Nonnen sowie unzähligen Künstlern. Die Mönche haben zwischen dem vierten und zwölften Jahrhundert etwa tausend Höhlen in die durchschnittlich siebzehn Meter hohen Sandsteinfelsen gehämmert und mit buddhistischen Statuen, Skulpturen und Wandmalereien ausgestattet.
Die Mogao-Grotten in der Nähe von Dunhuang, Chinas berühmtesten buddhistischen Grotten (P2550684_1920).
Unmittelbar vor dem Museumskomplex der Mogao-Grotten liegt Wüste, wo sich Fragmente von uralten, bereits zerstörten Gebäuden verteilen. {Weiterlesen im Buch, Seite 64}
Zu meinem Leidwesen bin ich während der Fahrt durch die Provinz Gansu nicht nur von fröhlichen Touristen, sondern auch von mehreren Kameras auf den Highways aufgenommen worden. Drei Wochen nach der Rückkehr bekomme ich einen Anruf von einer Angestellten der Mietwagenfirma. Wieder verstehe ich nichts, doch mein Praktikant Feifei übernimmt den Hörer. {Weiterlesen im Buch, Seite 66}