Das neue Jahr in Sichuan

Die Textpassagen wurden als Zitate dem Buch “Go West. Unterwegs im anderen China” entnommen. Die Fotos sind Smartphone Momentaufnahmen bzw. iStock (i) und Pexels (P) Bilder (siehe ID’s bei den Bildunterschriften).

Im Südwesten Chinas liegt das Land des Überflusses. So bezeichnen die Chinesen Sichuan, die Heimat der Pandabären. Mit einer Fläche von 485 000 Quadratkilometern – fast doppelt so groß wie Großbritannien – und circa 92 Millionen Einwohnern gehört Sichuan zu den vier bevölkerungsreichsten Provinzen Chinas. Es hat einzigartige Naturlandschaften und viele Zeugen einer mehr als 3500-jährigen Geschichte.

Sichuan erstreckt sich östlich des tibetischen Hochplateaus und wird durchflossen vom Jangtse, einem der drei Hauptflüsse Chinas. Über 6300 Kilometer lang ist er nicht nur der wasserreichste Fluss Chinas, sondern nach Amazonas und Nil auch der drittgrößte Fluss der Erde.

In vier Gebirgen Sichuans ist der Panda heimisch, eines der nationalen Symbole, er wird in Schutzzonen besonders gehegt. Die Provinzhauptstadt Chengdu ist mit ihren 15 Millionen Einwohnern der wichtigste Knotenpunkt im Westen Chinas. Die Regionen nahe Tibet gehörten früher zum Großtibetischen Reich. Daher leben in den kleineren autonomen Bezirken im Westen und Norden Sichuans, aber auch in Chengdu selbst viele Tibeter.

China begrüßt das neue Jahr

China begrüßt das neue Jahr. Ganz Europa hat sich längst vom Rausch der Silvesternacht erholt, wenn hier das Neujahrs- oder Frühlingsfest stattfindet. Dazu hüllt sich das Land in Rot und Gold.

Das chinesische Silvester fällt stets auf einen Neumond zwischen dem 21. Januar und dem 21. Februar. In diesem Jahr, 2019, beginnt das Neujahrsfest am 4. Februar. Nun wird der Hund, der über das vergangene Jahr gewacht hat, von dem fleißigen, mitfühlenden und großzügigen Schwein als Tierkreiszeichen abgelöst. {Weiterlesen im Buch, Seite 21}

Willkommen im Jahr des Schweins.

Chengdu als vielgeliebte Stadt

Ich befinde mich in der Stadt, die weltweit am schnellsten wächst. Im Stadtgebiet von Chengdu und im Umland leben bereits mehr Menschen als in New York City.

Die Metropole hat mit ihren Pandas, Tempeln und den alten Vierteln im Zentrum zwar einiges zu bieten, doch der eigentliche Reiz dieser dreitausend Jahre alten Stadt liegt in der Entspanntheit ihrer Bewohner. Die Chinesen lieben Chengdu über alles, vor allem wegen des gemütlichen Alltags mit den vielen Teehäusern, in denen man eine ausgedehnte Mittagspause verbringt, bevor es zurück ins Büro geht. Wer einmal hierherkommt, so sagen meine chinesischen Kollegen, der wird diese Stadt nicht wieder verlassen wollen.

Am Abend möchte ich das historische Zentrum erkunden. Doch das ist schwieriger als gedacht. In den Flanierstraßen sind Häuser im Stil des alten Chinas entstanden, mit grauen Ziegeldächern und Innenhöfen hinter dicken rustikalen Holztüren, an denen rote Ballonlaternen baumeln. {Weiterlesen im Buch, Seite 25}

Die Kuanzhai Alley mit den drei aufwendig rekonstruierten Straßenzügen ist das Aushängeschild der Stadt mit Läden für gehobenes Kunsthandwerk, Antiquitäten und Teezeremonien, mit Boutiquehotels, Restaurants, Cafés und kleinen Galerien. Ich sehe Einheimische und Touristen in Grüppchen gemütlich durch die engen Gassen schlendern und immer wieder an Ständen mit verschiedenen Fleischspießen stehen bleiben.

Abendliche Stimmung in der Kuanzhai Alley in Chengdu.

Ein paar Meter weiter beobachte ich minutenlang das Handwerk eines Meisters, der mit feinen Pinzetten, Bürsten und einer Stirnlampe die filigranen Gehörgänge von mutigen Passanten putzt. {Weiterlesen im Buch, Seite 25}

Das Reich der Pandas

Das Naturreservat Wolong erstreckt sich über zweitausend Quadratkilometer Bergwald und wurde vor allem zum Schutz der Pandabären eingerichtet, von deren gesamter Wildpopulation etwa zehn Prozent hier, im Königreich der Pandas, leben. {Weiterlesen im Buch, Seite 26}

Das Panda-Zentrum im Wolong-Naturreservat.

Da die Bären mit dem dichten wolligen weißen Fell und den schwarzen Beinen Einzelgänger sind, leben sie jeweils allein in relativ großen Gehegen. Nur zur Paarung werden männliche und weibliche Tiere zusammengebracht. Die drolligen, knuffigen Pandababys leben dann mit ihrer Pandamutter zusammen, bis sie bereit sind, inmitten der angrenzenden Bergwelt außerhalb des Zentrums ihrer eigenen Wege zu gehen.

Die Alpen des Ostens

Die Weiterfahrt mit dem Kleinbus gestaltet sich abenteuerlich. Unser Gefährt schraubt sich auf einer engen Passstraße entlang eines Gebirgsflusses hin- und herwackelnd immer weiter hinauf und muss dabei den Gesteinsbrocken am Straßenrand ausweichen, die von den nahen Berghängen abgerutscht sind. Es geht bis auf 4500 Meter, dem höchsten Punkt des Balang-Passes. {Weiterlesen im Buch, Seite 29}

Unterwegs zum Balang-Pass in luftiger Höhe.

Mittags erreichen wir den tibetischen Ort Rilong im Mount-Siguniang-Nationalpark, der auf einer Höhe von 3200 Metern inmitten der Bergwelt liegt. Jeder, der in dieses Nest an der Durchgangsstraße kommt, ist wegen der Berge und der märchenhaften Täler hier. Er ist auch unser Basiscamp für die kommenden Touren. {Weiterlesen im Buch, Seite 30}

Rilong Town, Mount-Siguniang-Nationalpark (849110978).

Der Mount-Siguniang-Nationalpark gehört zum UNESCO-Welterbe. Seine Wahrzeichen sind vier markante Berggipfel, genannt die Vier Schwestern. {Weiterlesen im Buch, Seite 30}

Bislang ist der Mount-Siguniang-Nationalpark noch ein touristischer Geheimtipp, selbst unter Chinesen. Die Einheimischen bezeichnen die Gegend auch als die »Alpen des Ostens«, hier, wo alle vier Jahreszeiten an einem Tag erlebt werden können, in einer Landschaft mit mehr als zwanzig Viertausendern, die in der Eiszeit geformt wurde.

Die Alpen des Ostens mit dem Shuangqiao Valley im Mount-Siguniang-Nationalpark.

Bei der Fahrt hinab in das Shuangqiao Valley breitet sich der wolkenlose blaue Himmel schier endlos über weißen Gipfeln und Gletschern aus. Rauschende Bergflüsse und wilde Wasserfälle, bunt gefärbte Laubwälder, Bergseen und Almen vollenden die Szenerie. Es scheint, als ob sich hier im tiefen Westen Chinas das Paradies befindet. Ein großartiges Naturerlebnis.

Hier bekommen sie alles geboten, was ihrem Ideal von einer Landschaft entspricht: Berge mit weißen Gipfeln, davor alte chinesische Kiefern als Symbol für Langlebigkeit. {Weiterlesen im Buch, Seite 32}

Das Changping Valley im Mount-Siguniang-Nationalpark.

Am nächsten Tag erwandern wir das Changping Valley, das mittlere der drei Täler im Mount-Siguniang-Nationalpark. Es geht durch dichte urwüchsige Wälder auf einem schmalen Pfad über Holzplanken bis zum besten Blick auf das mächtige Bergmassiv der Vier Schwestern. {Weiterlesen im Buch, Seite 33}

Von hier aus geht es auf schlammigen Pfaden durch die Urwälder. An uns vorbei kommen Frauen mit Pferden im Schlepptau, die sie für lauffaule Touristen bereithalten. Die ganze Schönheit des Tals zeigt sich auf einer Hochalm auf 3700 Metern am Fuß der Siguniang-Berge. {Weiterlesen im Buch, Seite 33}

Im Haizi Valley unterwegs zur “Ältesten Schwester” im Mount-Siguniang-Nationalpark.

 Ein besonderes Abenteuer beginnt in den frühen, noch dunklen Stunden des nächsten Tages. Es erwartet uns eine zweitägige Tour mit der Besteigung des Dafeng-Gipfels, der »Ältesten Schwester« unter den versteinerten Mädchen im Nationalpark. Dieser 5026 Meter hohe schneebedeckte Berg ist für Bergsteiger in der Provinz Sichuan oft die erste Wahl, weil er das ganze Jahr über bestiegen werden kann.

In der Hotellobby verstauen wir die nötigsten Sachen für die kommenden Tage in großen grauen Plastikbeuteln, die später auf Pferden, geführt von fitten Besitzern, in das Basiscamp in luftiger Höhe transportiert werden. Der Weg dorthin folgt der Route durch das östlichste Tal, das Haizi Valley. Bevor wir jedoch in die traumhafte Bergwelt einsteigen, muss sich jeder Wanderer in dem Büro am Parkeingang registrieren lassen. {Weiterlesen im Buch, Seite 34}

Unsere Wanderung führt etwa achtzehn Kilometer immer bergauf bis zum Basislager auf 4300 Metern Höhe. Manchmal treffen wir auf einheimische Führer, die mit ihren Pferden entspannt am Wegrand ausruhen. Ihnen scheint die gleißende Sonne nichts auszumachen, denn die gegerbte Haut ihrer Gesichter hat sich längst an das raue Gebirgsklima angepasst. Alle, die auf diesem Trail wandern, kommen an der einzigen Behausung hier im Hochland vorbei. {Weiterlesen im Buch, Seite 35}

Auf dem Trail hoch hinauf zum Basislager der “Ältesten Schwester” im Mount-Siguniang-Nationalpark.

Es ist spät am Nachmittag. Der Wind wird immer kälter, was mich bereits jetzt auf eine Nacht mit wenig Schlaf einstimmt. Doch zuvor gibt es in einem der Steinhäuser noch ein deftiges Abendessen mit allem, was die chinesische Küche zu bieten hat. {Weiterlesen im Buch, Seite 35}

Mitten in der Nacht heißt es aufstehen und sich in der Finsternis bereit machen für den Gipfelsturm. Für mich ist das Zeichen zum Aufbruch eine Erlösung, denn im Zelt war vor Kälte nicht an Schlaf zu denken. In einer Reihe und mit einem Sicherungsseil verbunden, damit auch keiner verloren geht, ziehen wir fast im Gleichschritt den Trail zur Bergspitze hinauf. {Weiterlesen im Buch, Seite 36}

All die Mühe bei der vierstündigen Bergtour hat sich für mich spätestens dann gelohnt, als ich auf dem Plateau der »Ältesten Schwester« in über 5000 Metern Höhe stehe und bewundere, wie die Sonne über den schneebedeckten Bergen des Mount- Siguniang-Nationalparks aufgeht. 

Vom Basislager zum Gipfel der “Ältesten Schwester” im Mount-Siguniang-Nationalpark.

Von diesem unvergesslichen Moment an beginnt bereits der Abstieg bis in das Tal nach Rilong, unserem Ausgangsort. Müde schleppen wir uns die achtzehn Kilometer auf dem gleichen Wanderweg zurück, auf dem wir einen Tag zuvor zum Basiscamp aufgestiegen sind.

Die Weiterfahrt am selben Tag mit dem Kleinbus von Rilong in Richtung Westen ist nach den Strapazen der Bergtour sehr entspannend. Der Bus, beladen mit Snacks und chinesischem Leichtbier, bringt uns in zwei Stunden auf der gut ausgebauten Passstraße bis in das tibetische Dorf Jiaju. Diese Ortschaft in 2000 Metern Höhe gilt als das schönste Dorf in ganz China, was an der großen Schautafel am Ortseingang in vier Sprachen nachzulesen ist. {Weiterlesen im Buch, Seite 37}

In der Provinz Sichuan befindet sich das schönste Dorf Chinas, der Ort Jiaju,

Der nächste Morgen bietet Sonne pur und einen blauen Himmel. Die Fotosafari kann beginnen. Auf langen steilen Trampelpfaden gelangt man von Haus zu Haus und entdeckt besondere Details an den mit typischen Streifen in Karminrot, Schwarz und Weiß verzierten Gebäuden, die wir im Kern des weitläufigen Dorfs besichtigen können. {Weiterlesen im Buch, Seite 37}

Auf Fotosafari im Dorf Jiaju.

Unsere unglaubliche Reise in den östlichen Teil des alten Tibets setzen wir am nächsten Tag mit der Fahrt in die Stadt Moxi fort, dem Eingangstor zum Hailuogou-Glacier-Nationalpark. Heilige Berge und Himmelsbestattung, Yakburger und Buttertee, bunte Dörfer und Wehrtürme, Pferdetrekking zu den Nomaden und den weißen Gipfeln der »Vier Schwestern« – das alles kann man auch in der Provinz Sichuan bewundern, wenn die Einreise nach Zentraltibet zu kompliziert oder nicht möglich ist. {Weiterlesen im Buch, Seite 38}

Moxi Town war einst eine wichtige Station auf dem Handelsweg zwischen Sichuan und Tibet. Das Leben in dem Ort, in dem die Tibeter unter den dominierenden Han-Chinesen eine Minderheit sind, ist heute eher ruhig und gemütlich. Unser Hotel befindet sich direkt im Zentrum, nur fünf Minuten zu Fuß von der Altstadt entfernt. Nach dem Einchecken bleibt uns nicht viel Zeit zur Erkundung, denn schon geht es mit dem Bus weiter zu einer der schönsten Thermalquellen Chinas.

In Moxi Town spielt sich das Nachtleben in den engen, verwinkelten Gassen mit den Restaurants und den Pubs ab, von denen viele einer schiefen Berghütte ähneln. {Weiterlesen im Buch, Seite 40}

Der hell erleuchtete Platz im Zentrum mit der ehemaligen französischen Kirche und den angrenzenden Gebäuden gehört unbedingt dazu. In einem der Häuser hatte 1935 der chinesische Führer Mao Zedong sein Quartier bezogen, um die Kämpfe der kommunistischen Truppen gegen die Nationalisten beim legendären Langen Marsch zu befehligen.

Moxi Town an dem ehemaligen Handelsweg zwischen Sichuan und Tibet.

Am nächsten Morgen geht es nach dem Frühstück von Moxi Town mit dem Touristenbus die engen Serpentinen des Bergmassivs hinauf bis zu der Seilbahnstation des Hailuogou-Gletscherparks auf 2940 Metern.

Der Hailuogou-Gletscherpark mit dem schönsten Gletscher Chinas.

Die Seilbahn bringt uns in Windeseile hinauf zur 3600 Meter hoch gelegenen Aussichtsplattform. Zum Greifen nah breitet sich der schönste Gletscher von ganz China majestätisch vor uns aus. {Weiterlesen im Buch, Seite 41}

Spirituelle Orte im Hailuogou-Gletscherpark, wo die Götter wohnen.

Nachdem wir den Gletscherpark verlassen haben, fahren wir direkt weiter in Richtung Chengdu. Die Hängebrücke in der Stadt Luding ist ein willkommener Zwischenstopp als geschichtsträchtiger Schauplatz der Heldentat der kommunistischen Truppen während hres Langen Marschs im Mai 1935. {Weiterlesen im Buch, Seite 42}

Die nur hundert Meter lange und fast drei Meter breite Hängebrücke führt über den Fluss Dadu an der Grenze zwischen den Provinzen Sichuan und Yunnan, getragen von Eisenketten und beplankt mit Holzbohlen. Viele davon hatten die Nationalchinesen, die sich auf der anderen Seite des Flusses verschanzten, während der Gefechte entfernt. Die übrigen Holzbohlen wurden in Brand gesteckt, was das Eisen erhitzte und die Brücke unpassierbar machte. Doch zweiundzwanzig Helden hangelten sich unter feindlichem Beschuss über die Stromschnellen und eroberten die Stellung.

Der Ort Luding mit der geschichtsträchtigen Hängebrücke über dem Fluss Dadu (i117644396).

Zurück In Chengdu endet unsere Reise am Flughafen. Vor dem Abflug am Abend zurück nach Beijing bleibt mir noch Zeit, um ein Andenken an diese wunderbaren Tage in Sichuan zu kaufen. Ganz hervorragend eignet sich dafür der Sichuanpfeffer, der aus den Früchten eines chinesischen Strauchbaums gewonnen wird und ein Verwandter der Zitruspflanze ist.

Er schmeckt aromatisch, leicht pfeffrig, bitter und nicht besonders scharf mit einem Hauch von Zitrusnoten. Typisch für den Sichuanpfeffer ist das kribbelnde und betäubende Gefühl auf den Lippen und der Zunge, das nur wenige Sekunden anhält. Gewiss wird mich dieses exotische Gefühl beim Essen sofort an diese einzigartige Provinz erinnern.

Sichuan, “Land des Überflusses”.

Mehr in dem Buch “Go West. Unterwegs im anderen China.

Schreibe einen Kommentar