Unterwegs im Sultanat Oman, in einem der schönsten Länder der Erde.
So lautet der Werbeslogan der omanischen Tourismusbehörde, um potenzielle Urlauber anzuregen, dass arabische Land zu besuchen. Aber auch ohne diesen Werbespot vor meiner Reise gekannt zu haben, zieht es mich in dieses Land. Ein Grund ist der hohe Sicherheitsstandard, der das Sultanat zu einem der sichersten Reisländer in der Welt macht.
Die Zeit Ende November ist für diese Reise optimal gewählt, da sich die Tagestemperaturen um die dreißig Grad bewegen sollen. In den heißen Monaten von April bis September werden im Landesinnern bis zu fünfzig Grad gemessen. Für diese extreme Hitze ist mein Körper jedoch nicht geschaffen.
Das Landesinnere um die Hauptstadt Maskat wird mein bevorzugtes Reisgebiet für die nächsten elf Tage sein. In dieser Region befindet sich alles, was mir für einen erlebnisreichen Urlaub wichtig ist. Die abwechslungsreiche Küste, die hohen Gipfel des Hajar-Gebirges, die Oasen und Wadis, die Wüste Wahabi sowie sehr viele geschichtsträchtige Orte befinden sich genau in diesem Landesteil des Omans, den ich mit einem geländetauglichen Mietwagen erkunden werde.
Auf Stippvisite beim Sultan
Bei meiner morgendlichen Ankunft am Internationalen Flughafen Maskat und der anschließenden Abholung des Leihwagens merke ich, dass der omanische Alltag durch einen Entschleunigung geprägt ist. Gut so, genau dieses Tempo brauche ich für die kommenden Urlaubstage. So macht es mir auch nichts aus, wenn ich in der Warteschlange am Schalter des Vermieters von Mietwagen eine Stunde ausharren muss, bevor ich an der Reihe bin. Das häufige Nachfragen der Angestellten via Telefon und das Sichten der erforderlichen Dokumente braucht seine Zeit.
Die verantwortungsvollen Tätigkeiten, wie die Übergabe des Fahrzeuges mit den Dokumenten, werden von den Einheimischen ausgeführt. Die Männer tragen dabei auch das bekannte knöchellange Gewand dishdasha. Aber nicht nur in Weiß, sondern auch in vielen Farben. Für mich ist das ein erstes Indiz, dass der Oman einen Sonderweg im Vergleich zu seinen arabischen Brüdern in den angrenzenden Nachbarländern gewählt hat. Bunt ist auch die Kopfbedeckung der Omanis, die Kappen oder prachtvolle verzierte Turbane khanjars bevorzugen.
Die einfachen Arbeiten werden im Oman von den Zugereisten ausgeführt, die aus vielen asiatischen Ländern hierhergekommen sind. Inder, Pakistaner, Menschen aus Sri Lanka, Bangladesch, den Philippinen und aus vielen anderen Staaten; sie alle wollen im Schlaraffenland des Sultans Geld für ihre eigene Zukunft verdienen. Nahezu die Hälfte der etwas mehr als fünf Millionen Einwohner zählenden Bevölkerung stammt aus dem Ausland.
Einheimische Frauen gibt es gleichfalls unter den Angestellten. Sie verstecken ihre schwarzen Haare zumeist komplett unter einem dunklen Kopftuch lahaf oder unter einer Kappe, deren Farbton identisch mit jenem der dazugehörigen Dienstuniform ist.
Nach der Übergabe des Mietfahrzeuges geht es mit meinem blauen JEEP endlich auf der Stadtautobahn in Richtung Süden der Hauptstadt. Das Gefährt hat im Oman bereits etwas mehr als einhunderttausend Kilometer zurückgelegt. Dementsprechend klappern die Radlager. Ein Geräusch, das mich bis zum Ende meiner Reise begleiten wird. Mit konstanter Geschwindigkeit von maximal 120 km/h fliesst der Strom an großen und noch größeren Geländewagen, in dem sich auch mitfahrende Kleinwagen zurechtfinden müssen, gleichmässig dahin. Mein erstes Ziel ist der Palast des Sultans.
Der “Blühende Flaggen”-Palast Qasr Al Alam des Sultans, errichtet durch eine indische Baufirma, dient heutzutage vornehmlich repräsentativen Zwecken.
Sein Domizil liegt in der Altstadt von Maskat, an einer Bucht am Meer. Der dort ursprünglich befindliche alte Lehmpalast wurde 1970 mit dem Machtantritt des letzten amtierenden Sultans abgerissen. Der danach neu entstandene Königspalast Al Alam mit seiner eigenwilligen Architektur, der auch als der Palast der “Blühenden Flaggen” bezeichnet wird, wirkt auf mich eher wie ein großes Bürogebäude. In Anbetracht des Reichtums des Sultans ist es, von aussen betrachtet, ein eher bescheidener Palast, einer von mehreren im ganzen Land. Die gehisste Nationalflagge auf dem Dach des einstöckigen Gebäudes verdeutlicht, dass der Sultan während der Zeit meines Besuchs in seinen Räumlichkeiten arbeitet. Ein Zutritt für Besucher zur Palastanlage ist nicht möglich. Auch die an den Palast angrenzenden beiden Festungen, die von den Portugiesen nach der Eroberung des Omans im 16. Jahrhundert zum Schutz des Hafens erbaut wurden, bleiben für die Besichtigung durch Touristen verschlossen. Nur ausgewählte Gäste des Sultans dürfen sein Museum, das sich in einer der Wehranlagen befindet, betreten. In der anderen Festung ist die königliche Garde untergebracht.
Trotz dieser Einschränkungen hinterlässt das Regierungsviertel mit seinen scheinbar menschenleeren Bauten, den weißen, gelben und lilafarbenen Sträuchern der Drillingsblume sowie mit dem Blick hinaus auf den weiten Ozean für mich einen bleibenden, unvergesslichen Eindruck.
Während meines Aufenthaltes in der Hauptstadt habe ich mein Quartier in dem Stadtviertel Ruwi, dem Central Business District, bezogen. Am Abend durchstreife ich die Wohngebiete, die sich in unmittelbarer Nähe von meinem Hotel Al Falaj befinden. Dabei treffe ich auf viele ausländische Wanderarbeiter, die sich in den einfachen Restaurants oder in den sogenannten Hypermarkets mit Essbarem und anderen notwendigen Dingen des Lebens versorgen. Sehr oft werde ich bei diesen Gelegenheiten gefragt, aus welchem Land ich komme. Nachdem ich den Namen sage, bin ich überrascht, was für einen hohen Stellenwert Deutschland in den Augen der Menschen im Oman hat. Deutschland wird als ein sehr starkes und reiches Land angesehen. Sicherlich hängt das auch mit den großformatigen Werbeplakaten von Jürgen Klopp zusammen, auf denen der Fußballtrainer in den Supermärkten mit seinen blendend weißen, dritten Zähnen und dem etwas grimmigen Blick viel Biss und Durchsetzungsvermögen beim Anbieten von Schokoladenriegeln der Marke Stickers zeigt.
Bunte, energiehaltige Leckereien mit verführerischen Füllungen als sündige Versuchung in den Regalen der Hypermärkte im Central Business District Ruwi.
Am nächsten Tag lasse ich mich auf meinen Wegen in und um Maskat von den Empfehlungen der mitgebrachten Reiseliteratur anleiten, die mich zu ausgewählten Orten der Hauptstadt bringen. Einen hohen Stellenwert hat bei diesen Beschreibungen die Bucht von Mutrah, die von der Altstadt Maskats nur durch einen Bergrücken getrennt ist. Hier befindet sich auch der größte Souk des Sultanats. Wie mag es wohl in dem historischen Geschäftsviertel früher zugegangen sein als noch die Wände der Stände aus Lehm geformt und die Dächer mit Palmenzweigen abgedeckt waren? Obwohl dieser Markt in den letzten Jahren komplett modernisiert wurde, sind noch immer die vielen verwinkelten engen Gassen mit den kleinen, überfüllten Ständen und den größeren Läden zu sehen, die in mir ein Gefühl hervorrufen, in der Zeit zurückgereist zu sein. Von teuren Geschmeiden aus Gold und Silber bis hin zu einfachen traditionellen Süßigkeiten und billigen Souvenirs, hier gibt es alles, was das Herz begehrt. Beim Durchstreifen der Seitengassen fällt mir der angenehme Geruch nach natürlichem Weihrauch auf, das als älteste Produkt des Omans von diesem Markt aus in andere Teile der Welt verkauft wurde. Zwischen den Ständen suchen klapprig dünne, ausgehungerte Katzen nach etwas Fressbarem. Die Tiere sind genauso wie Hunde von den Abfällen der Menschen abhängig.
Der alteingesessene, traditionelle Basar in Mutrah als ältester seiner Art im Oman mit bunten Haushaltsartikeln Made in China, Kleidung, exotischen Gewürzen, Antiquitäten und edlen Geschmeiden aus Gold lässt keine Wünsche offen.
Der altehrwürdige Handelsplatz in Mutrah grenzt unmittelbar an die Hafenpromeade, die zwischen der Bucht und der Altstadt mit der Blauen Moschee, den traditionellen Gebäuden mit ihren filigran verzierten Balkonen verläuft. Vor der Küste ankern die Kreuzfahrtschiffe, die in regelmäßigen Abständen die modernen Kreuzfahrer in Scharen auf das Festland ausspucken, um zur späten Stunde mit ihnen an Bord wieder in die See zu stechen.
Das Himmelblau an der Moschee in Mutrah zieht unweigerlich die Blicke der Vorbeikommenden auf das schon von weitem sichtbaren Minarett.
Der beste Ausblick auf die gesamte Bucht von Mutrah bietet sich mir vom oberen Mauerwerk der Festung Al-Jalai in unmittelbarer Nähe, die von den portugiesischen Invasoren vor vier Jahrhunderten als Schutzwall hoch über einen Felsen während ihrer 150-jährigen Herrschaft im Oman erbaut wurde. Im Oman gibt es etwa fünfhundert Festungen, von denen das Mutrah Fort eine der schönsten ist.
Die restaurierte Festung auf einem schmalen felsigen Berg am östlichen Ende des Hafens garantiert von dem Turm der Anlage herrliche Blicke auf Mutrah.
Da Museen immer auch Orte sind, an denen es in kompakter Form viel über das Leben und die Geschichte eines Landes zu entdecken gibt, ist der anschließende Besuch des Nationalmuseums von Oman für mich genau die richtige Adresse. Dieser moderne, weiße Gebäudekomplex, direkt gegenüber dem Palast des Sultans, zeigt umfassende Ausstellungen zu der Geschichte der Seefahrt sowie zu anderen kulturellen Aspekten des Landes, von der prähistorischen Zeit bis zur Gegenwart. In der oberen Etage werden in den Vitrinen viele Objekte aus dem omanischen Königshaus ausgestellt, wie die Gastgeschenke aus der ganzen Welt bei den Besuchen des 2020 verstorbenen omanischen Sultans Qaboons. Der Monarch wird im Land immer noch abgöttisch verehrt, was auch an den unzähligen Fotos seiner Majestät im Strassenbild zu erkennen ist. Mit ihm wurde das ehemals rückständige und von einem langandauernden Bürgerkrieg zerrüttete Land in eine moderne Gesellschaft umgewandelt, nachdem er seinen Vater 1970 mit Waffengewalt vom Thron gestürzt hatte. In den Jahren zuvor war jede Neuerung untersagt, wie beispielsweise das Hören von Radios oder das Tragen einer Sonnenbrille. Für viele omanische Familien ist der Besuch des Nationalmuseums eine Selbstverständlichkeit, wie ich bei meinem Besuch feststellen kann. Der Ort scheint aber auch eine gute Gelegenheit für junge omanische Frauen zum Kennenlernen zu sein. Die jungen Mädchen in den aufwendig mit Gold verzierten Gewändern lassen ihre Blicke auf potenzielle männliche Heiratskandidaten ruhen, die lässig durch die Gänge des Museums streifen.
Das Nationalmuseum von Oman ist in fünfzehn aufwendig ausgestattete Hallen gegliedert, die den Besuchern eindrucksvoll eine Reise in die Vergangenheit und in das Leben am Hofe ermöglichen.
Wenn auch Frauen vielerorts nach wie vor eher dem häuslichen Bereich zugeordnet sind, so ist auch im Alltag zu beobachten, dass viele von ihnen inzwischen als gut ausgebildete Angestellte, Polizistinnen, Lehrerinnen und in vielen anderen Berufen ihren Platz in der omanischen Gesellschaft gefunden haben. Das zeigt, dass nach der Machtübernahme des allseits verehrten letzten Sultans, bei der Bildung eines zukunftsfähigen Staates bewusst auch auf die Frauen gesetzt wurde. Ein Novum in der arabischen Welt, das seines gleichen sucht.
Abends bin ich unterwegs auf dem Souk in den Straßen des Stadtteils Ruwi, bei dem es in den Geschäften mit der bunten Leuchtreklame jede Menge Haushaltswaren, Elektronikartikel, Uhren, Schuhe und Kleidung zu äußerst günstigen Preisen zu kaufen gibt. “Was man nicht im Ruwi Souk kaufen kann, findet man in ganz Oman nicht.”, so lautet ein omanischer Spruch. Es ist Black Friday, der Verkaufstag mit Rabattaktionen, bei dem alles zu niedrigsten Preisen verkauft wird. In den Schaufenstern stapeln sich Berge von Hosen und Hemden. Da hier vorwiegend viele Inder und Pakistani einkaufen, fühle ich mich in eine andere Welt versetzt. In einem der indischen Restaurants wird mir ein wohlschmeckendes Reisgericht in einer großen Schale serviert, zu dem verschiedene vegetarische Soßen in kleinen Schalen gereicht werden. Im Gespräch mit dem Kellner mit dem Namen Anil stellt sich heraus, dass er aus dem Bundesstaat Kerala im Südwesten Indiens kommt und hier schon vierzehn Jahre im Oman arbeitet. Seine tägliche Arbeitszeit beträgt vierzehn Stunden bei einem freien Tag in der Woche. Jedes Jahr hat er Anspruch auf vier Wochen Urlaub, den er jedoch lieber am Ende seines amtlich genehmigten, zweijährigen Aufenthaltes nimmt. Sein Arbeitsvertrag mit dem Lohn und den anderen Formalitäten wird von dem Konsulat seines Bundesstaates und den omanischen Behörden ausgehandelt. In zwei Jahren möchte er von dem Ersparten für sich und seine Familie in seinem Heimatdorf einen Copy-Shop eröffnen. Doch bis dahin wird er noch viele Gäste in dem Restaurant auf dem Souk in Ruwi bedienen.
Alles muss raus! Black Friday Ambiente auf dem Nachmarkt im Stadtviertel Ruwi. Ein Ort, wo vorzugsweise Inder und Pakistani einkaufen und in einem der vielen Restaurants heimische Köstlichkeiten essen.
Ein Tauchgang auf den Malediven des Mittleren Ostens
Am nächsten Morgen fahre ich nach Nordwesten entlang der Küste des Golfs von Oman, die mit ihren hellen Sandstränden, dem türkisblauen Meereswasser, den felsigen Buchten und den kleinen Fischerorten auch ein Paradies für Urlauber ist. Im Westen fällt mir die Bergkette des Hajar-Gebirges auf, die für einen Wüstenstaat eher untypisch ist. Die grünen Haine dichtstehender Dattelpalmen in den Trockentälern, den Wadis, durch die das Wasser aus den Bergen in großen Mengen nach starken und länger anhaltenden Regenfällen abfließt, sind für meine Augen beim Betrachten ein wahres Fest.
Rund dreißig Kilometer von der Hauptstadt entfernt liegt auf dieser Strecke der Fischerort Sib, von wo es mit dem Schnellboot mit hoher Geschwindigkeit zu den achtzehn Kilometer von der Küste entfernten neun kleinen Felseninseln Daymaniyat zum Tauchen geht. Dieses Tauchressort im ersten Naturschutzgebiet des Omans, das nur mit einer behördlichen Genehmigung erkundet werden darf, wird auch als die Malediven des Mittleren Osten bezeichnet.
Mit an Bord des Schnellbootes sind, neben den beiden einheimischen Tauchguides, eine Gruppe französischer junger Urlauber, die auf einer der menschenleeren Inseln später im Zelt übernachten werden, um weitere Tauchgänge am darauffolgenden Tag zu unternehmen. Die beiden anderen mitfahrenden Taucher sind Lehrerinnen aus Deutschland, die für einen Kurztrip aus ihrer derzeitigen Wahlheimat Dubai in den Oman angereist sind. Das Leben in der Stadt des Überflusses mit den vielen Luxusläden und der ultramodernen Architektur ist auf Dauer doch etwas eintönig, wie sie mir berichten. Als Lehrerinnen für Deutsch haben sie schon in einigen Ländern gearbeitet. Es ist für die beiden jungen Frauen eine bezahlte Möglichkeit, um die weite Welt besser kennenzulernen.
Das maritime Wunderland mit seinen ausgedehnten Riffen, den steilen Felswänden und den vielfältigen Korallengärten um die Daymaniyat Inseln im ersten Naturschutzgebiet des Sultanats macht das Tauchen zu einem besonderen Erlebnis.
Für mich ist das Tauchen um die Daymaniyat Inseln ein ganz besonderes, unvergessliches Naturerlebnis. Auch wenn es für die Tauchguides nicht einfach ist, eine Gruppe von sieben Tauchern in einer Tiefe von fast dreißig Metern anzuführen und zusammenzuhalten, kann ich in der Unterwasserwelt, inmitten von Schwärmen bunter Fische, die noch intakten Korallenriffe bewundern. Nur die hier von Zeit zu Zeit vorbeischwimmenden Walhaie zeigen sich bei unserem Tauchgang nicht. Ein Grund für die Artenvielfalt in diesem maritimen Wunderland ist das Verbot des industriellen Fischfangs in den omanischen Gewässern. Nur einheimischen Fischern ist das erlaubt. Der Politik des Sultans Qabus bin Sad hat der Oman den massiven Fischreichtum zu verdanken. Industriellen Fischerflotten ist es verboten in omanischen Gewässern zu fischen. Kleinere Fischerboote sind nur bei der Rückfahrt von unserem Tauchausflug in der Nähe der Küste zu sehen, die ihren frischen Fang gleich direkt auf dem Souk vom Fischerort Sib verkaufen.
Die Ortschaft Sib mit einem lebendigen Markt, auf dem auch der frisch gefangene Fisch sofort verkauft wird. Die idyllische Landschaft wird jedoch durch das angrenzende, ausgedehnte Industriegebiet gestört, dessen Abfälle auch an der Küste vorzufinden sind.
Auf dem Weg in das Hajar-Gebirge mit einem Besuch in der Sultan-Qabus-Moschee
Nach zwei kurzweiligen Tagen in der Hauptstadt möchte ich endlich das Hajar-Gebirge erkunden. Dafür fahre ich die Schnellstrasse entlang, die fast einhundert Kilometer durch die Stadt führt. Weil die Bergrücken des Hajar-Gebirges nur wenig Raum für neue Bauten zulassen, wuchs die Metropole vor allem in die Länge.
An der viel befahrenen Sultan Qaboos-Schnellstrasse befindet sich die gleichnamige Moschee, die als eines der wichtigsten Bauwerke des Landes und als eine der größten Moscheen weltweit auch eine der schönsten Sehenswürdigkeiten des Omans ist. Der Ort des 2001 nach sechs Jahren fertiggestellten Gotteshauses wurde von den Erbauern bewusst gewählt, damit das gewaltige Bauwerk in den hellen Farben mit den wunderschönen Gärten davor von allen Himmelsrichtungen schon von weitem sichtbar ist. Mit dem Einsetzen der Dunkelheit wird die Moschee erleuchtet, was beim Vorbeifahren einen sehr imposanten Eindruck hinterlässt.
Die Grosse Sultan-Qaboos-Moschee als das grösste zentrale Gotteshaus im Oman.
Das die Sultan Qaboos-Moschee auch von Touristen besucht werden kann, ist ein Ausdruck des offenen Umgangs der vorherrschenden islamischen Glaubensrichtung des Ibadismus im Oman. Schiiten und Sunniten sind allseits bekannt, aber von den Ibaditen hatte ich bislang noch nichts gehört. Vielleicht weil sie nicht durch Extremismus in den Schlagzeilen auffallen, den es in dieser islamischen Auslegung nicht gibt. Im Oman gehören etwa fünfundsiebzig Prozent der Muslime dieser Glaubensrichtung an. Sie gelten als tolerant und friedlich, was mir bei meinen Begegnungen mit den Einheimischen auch in den Gesprächen auffällt. Der Ibadismus geht zurück auf die frühislamische Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten. Auch wenn sie von den islamischen Gläubigen in den Nachbarländern oft als räudige Hunde bezeichnet werden; hier im Oman spielt das während des gemeinsamen Gebets keine Rolle.
Der Gesamtkomplex der Moschee wurde aus dreihunderttausend Tonnen indischem Sandstein errichtet. In der grossen Gebetshalle für Männer ist ein im Iran handgeknüpfter Teppich ausgelegt, der aus mehreren Einzelteilen in drei Jahren gefertigt und Vorort zusammengenäht wurde.
Der Zutritt zu der Moschee ist für mich etwas Besonderes, da ich bislang noch nie in so einem großen islamischen Gotteshaus gewesen bin. Beeindruckend sind für mich die langen Arkaden im Norden und Süden der Anlage mit den kleinen Nischen, in denen Mosaike in verschiedenen Stilen aus allen islamischen Ländern zu sehen sind. Mein Hauptaugenmerk richtet sich allerdings schnell auf die riesengroße Gebetshalle mit der fünfzig Meter hohen Kuppel, in der ein acht Tonnen schwerer Kronleuchter angebracht ist, der mit einer Millionen Swarowski-Kristallen und über eintausend Lampen bestückt ist.
Das optische Gegenstück zu dem Gebetsteppich, den Nichtgläubige nur auf einem blauen Läufer betreten dürfen, ist der grösste Lüster der Welt in der Mitte der Kuppel.
In dem großen Raum können bis zu sechstausend Männer vor allem an den Freitagsgebeten, aber auch an anderen religiösen Zeremonien teilnehmen. Dafür liegt im Inneren ein riesiger Gebetsteppich, der in drei Jahren von sechshundert Knüpferinnen in achtundfünfzig großen Einzelteilen im Iran angefertigt worden ist. Das Zusammennähen der Teile in Maskat dauerte nochmals mehrere Monate, bevor der zweiundzwanzig Tonnen schwere Belag fast den gesamten Boden der Moschee bedecken konnte. Da der Teppich nur von Muslimen betreten werden darf, muss ich als Tourist auf einem breiten blauen Läufer durch den fast einhundert Meter langen Raum durchschreiten. Die Moschee, das gesamte Gelände ist so riesig, dass die drei Stunden der offiziellen Besuchszeit wie im Fluge verfliegen, bevor es für mich wieder zurück auf die Straße in Richtung der Berge geht.
Hoch hinauf zu den Wolken
Mein Weg zu den Wolken führt mich hinauf zu den Bergen mit dem höchsten Gipfel des Hajar-Gebirges, den Jebel Shams, dem Berg der Sonne. Seine Höhe wird unterschiedlich mit 3009 oder 2720 Meter angegeben. Auf meiner Fahrt dorthin komme ich unerwartet in eine Strassenkontrolle vom Militär. Nach einem kurzen Austausch mit dem diensthabenden Offizier ist mein Pass die Garantie für eine problemlose und schnelle Weiterfahrt. Erst hinterher werden mir Einheimische berichten, dass bei diesen Kontrollen illegal aus Saudi-Arabien eingereiste afrikanische Flüchtlinge aufgespürt werden sollen.
Der Weg in das Hajar-Hochgebirge beginnt an der fruchtbaren Küstenregion mit den vielen kleinen Wadis, durch die das Wasser in der Regenzeit von den Bergen unaufhaltsam hinabstroemt.
Das Hajar-Hochgebirge, das vom Norden bis zum Osten des Landes verläuft, rahmt die Küste am Golf von Oman halbmondförmig ein. Das Gebirge wird durch das Wadi Samail in eine östlichen und eine westliche Bergkette geteilt. Dieses Wadi ist die wichtigste Verbindung zwischen der fruchtbaren Küstenregion und dem kargen Hinterland. Im westlichen Teil des Gebirges befindet sich die für Reisende interessantere Region mit dem Berg der Sonne. Dazwischen winden sich viele weitere kleinere Wadis durch atemberaubende Canyons. Bei Regen führen diese Täler riesige Wassermassen als Lebensgrundlage für die fruchtbaren, kleinen Gärten in den Terassenfeldern, die scheinbar wie grüne Farbkleckse in den Felswänden kleben. In deren Nähe haben sich früher Menschen in einfachen Behausungen angesiedelt, die jedoch inzwischen sehr oft verlassen sind.
Einzigartige, wunderbare Blicke auf die bergige Landschaft eröffnen sich mit jeder Kurve bei der atemberaubenden Fahrt entlang der Serpentinen.
Das alte Dorf an dem Wadi
Um auf den Jebel Shams zu gelangen, führt mich eine kurvenreiche Bergstraße an dem Dorf Al-Nakhar vorbei, das an dem trockenen Wadi Nakhar liegt und von hohen Bergen eingerahmt ist. Beim Betrachten der Landschaft überkommt mich ein starkes Gefühl der Ehrfurcht angesichts dieser steinernen Zeitzeugen der Erde, die durch die Naturgewalten geformt worden sind und mich in diesem Moment winzig klein erscheinen lassen. In dem langgestreckten Tal erkenne ich hinter einem grünen Streifen dichtstehender Dattelpalmen ein unbewohntes Dorf mit einer kleinen Festung, auf der die bunte Flagge des Omans sich von der eintönigen braunen Farbe der Lehmziegel und dem gleichfarbigen Hintergrund der Felsen abhebt.
Alle Wege zum Jebel Shams führen an dem Dorf Al-Nakhar mit den verlassenen Lehmhäusern vorbei, das an dem gleichnamigen Wadi liegt und durch die saftigen grünen Parzellen schon von Weitem sichtbar ist.
Das neue Dorf befindet sich in unmittelbarer Nähe im Osten des Wadis. Wie so oft in dieser Region, wurde hier im Zuge des Wandels vom Mittelalter zur Moderne eine neue Siedlung errichtet, um den Dorfbewohnern das Verlassen ihrer alten Behausungen zu erleichtern. Im Reiseführer ist nachzulesen, dass alle asphaltierten Straßen, die Schulen und Krankenhäuser in den Bergen von dem Sultan Qaboos beauftragt und bezahlt worden sind. Die Maßnahmen zum nachhaltigen, sorgsamen Umgang mit Wasser hatte bei diesen Projekten eine zentrale Bedeutung.
Ostseitig von dem alten Ortskern liegt das neue Dorf Al-Nakhar, das mit seiner Infrastruktur auch ein Symbol für den durchgeführten Umbruch im Oman hin zu einer modernen Gesellschaft darstellt.
Ein Geschenk der Urahnen ist das smarte Bewässerungssystem mit dem Namen Falaj, das zum UNESCO Weltkulturerbe gehört. Das Wasser fließt dabei kilometerlang von den Bergplateaus in einem Netz kleiner und größerer Kanäle mit in regelmäßigen Abständen angebrachten Auslässen, entlang steiler Felswände bis hinab in die Dörfer, wo unter anderem damit die kleinen Felder und die Haine der Dattelpalme bewässert werden. Aufgrund der zunehmend ausbleibenden Niederschläge reichen aber die Wasserressourcen nicht mehr aus. Daher wird im Oman verstärkt auf die Entsalzung von Meereswasser gesetzt. Bereits heute wird der Trinkwasserbedarf zu fünfundachtzig Prozent damit abgedeckt. Die im Straßenbild wahrnehmbaren blauen Lastwagen bringen das Lebenselixier auch in die abgelegensten Dörfer im Hochgebirge.
Der Grosse Grand Canyon
Auf der Straße hinauf zum Jebel Shams kommen mir diese blauen Lastwagen immer wieder entgegen. Die Fahrer winken dann freudig oder machen mit ihrer Lichthupe auf sich aufmerksam.
Alte Wasserkanäle sichern noch heute die Wasserversorgung im Oman. Doch das Wasser, das vom Hajar-Gebirge kommt, ist nicht überall verfügbar. Daher werden auch Haushalte, Moscheen und Gebäude in den Bergdörfern mit Tankwagen beliefert.
Bei meiner Weiterfahrt frage ich mich, warum ich einen Geländewagen als die achtfach teure Variante des Mietwagens ausgewählt habe. Doch die Antwort kommt von selbst spätestens beim unmittelbar einsetzenden Wechsel des Straßenbelags vom Asphalt zur harten Erdpiste mit den großen Schlaglöchern.
Auf Weg hinauf zum Jebel Shams endet die asphaltierte Strasse unmittelbar. Bei der Weiterfahrt zu dem gleichnamigen Ressort als Tagesziel für die Übernachtung hat sich der geländegängige Mietwagen bewährt.
Nach einer etwa zehn kilometerlangen Off-Road Tour erreiche ich das Jebel Shams Resort als mein Tagesziel. Diese Hotelanlage mit den flachen Bungalows aus Naturstein befindet sich auf einem zweitausend meterhohen Plateau und passt sich harmonisch in die Umgebung des Gebirges ein. Eine Weiterfahrt auf den Berg der Sonne ist nicht möglich, da die schmale, unbefestigte Strasse durch ein militärisches Sperrgebiet führt, wo sich auf dem Berggipfel eine Radarstation befindet. Aber auch von dem Bergplateau habe ich einen fantastischen Ausblick auf ein Naturschauspiel besonderer Art, wenn die Sonne allmählich am Horizont hinter den Bergen versinkt.
Die Landschaft des Hochgebirges um den Gipfel des “Sonnenberges” kurz vor Sonnenuntergang.
Beeindruckt bin ich von der Radfahrerin, die mit dem Gepäck auf das Bergplateau hinaufgestrampelt ist, um ihr Zelt direkt an der Felskante des gewaltigen Grand Canyon aufzubauen. Als ich neben ihrem Zelt in das eintausend Meter tiefe Wadi Nakhr mit den Häusern der Ortschaft Al-Nakhr hinunterschaue, die von dieser Höhe aus wie verstreute helle Kieselsteine aussehen, überkommt mich ein leichtes Schwindelgefühl, sodass ich zu meiner eigenen Sicherheit lieber drei Schritte von dem Abgrund zurücktrete.
Die unvergesslichen Blicke auf und in den Grand Canyon begleiten mich auch bei der Wanderung auf dem sogenannten Balkonweg am nächsten Morgen. Der Pfad hat seinen Namen aufgrund des Verlaufs in den zweitausend Meter hohen Felsenklippen des Canyons zu recht bekommen. Dieser Weg mit der offiziellen Bezeichnung “W6” ist Bestandteil eines einhundert kilometerlangen Wegenetztes im Hajar-Gebirge, das durch das Ministerium für Tourismus in den letzten Jahren mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden ausgewiesen und markiert wurde. Von einfachen Wanderungen bis hin zu mehrtägigen Trekkingtouren auf Pfaden, die von Eseln und Ziegen benutzt werden, ist für jeden Bergfreund etwas dabei.
Im Bergdorf Al Khitaym besteht die letzte Gelegenheit sich mit Trinkbaren für die Wanderung W6 am Rand des Grand Canyons zu versorgen.
Der Ausgangspunkt meiner Wanderung ist das kleine Bergdorf Al Khitaym, dass sich in der Nähe des Jebel Shams Ressorts befindet. Der farbig markierte Pfad verläuft entlang eines Felsvorsprungs am Rand des Grand Canyons. Es ist eine einfach zu gehende Route mit wenig Kletterei. Aber die Blicke in die Tiefe am nahen Abgrund erzeugen bei einigen vor mir laufenden Wanderern schwindelerregende Gefühle, die sie zur Umkehr zwingen.
Der “Balkonweg” in luftiger Höhe bietet erstaunliche Aussichten über den Grand Canyon des Omans.
Nach etwa zwei Stunden Wegzeit komme ich zu einem Felsüberhang, unter dem sich die Überreste winziger Behausungen aus aufgeschichteten Steinen und Lehm befinden. Es sind die Fragmente des verlassenen Dorfs As Sab, das für Fremde von der Ferne nicht einsehbar ist. Früher lebten hier etwa fünfzehn Familien unter anderem vom Anbau von Feldfrüchten auf den Terassenfeldern, wie im Internet nachzulesen ist. Auf dem fruchtbaren Boden des Felsvorsprungs wachsen auch Akazien und Olivenbäume. Für mich ist es schwer vorstellbar, wie die Dorfbewohner auf einer derart begrenzten Fläche über den Abgrund zusammenleben konnten. In den kleinen, kargen Räumen der Ruinen sind noch die Reste einfacher Holzregale zu sehen. Auf dem Steinboden liegt vereinzelt ein kleiner Teppich, bereit für das nächste Gebet.
Das Ziel der Wanderung ist das verlassene Dorf As Sab, in dem früher etwa fünfzehn Familien lebten. Die Eigentümer der Steinhäuser leben und arbeiten heutzutage in besser erreichbaren Ortschaften.
Oberhalb des Dorfes führt ein kleiner Pfad zu einem natürlichen Wasserbecken und einer Höhle mit dem Namen Bi’r Dakhilyah. Von dem Wasser möchte ich lieber nicht trinken, dafür scheint es mir nicht sauber genug. So bleibt es für mich ein Rätsel, wie sich die Dorfbewohner früher mit Trinkwasser ausreichend versorgt haben. Der Platz am Rand des Wasserbeckens ist dennoch ideal zum Rasten, den auch die herbeieilenden Bergziegen in Erwartung einiger Leckerbissen sehr gut kennen.
Ein zentraler Ort oberhalb des Dorfes As Sab ist das Wasserbecken mit der Höhle Bi’r Dakhilyah. Ein wunderschöner Picknickplatz, den auch die Bergziegen in der Hoffnung auf Sonderrationen zum Fressen bevorzugen.
An diesem idyllischen Ort endet die Tour und zwingt mich zur Rückkehr. Höher hinauf auf das Bergplateau geht es nur noch über einen Klettersteig, der aber nur mit einer entsprechenden Sicherheitsausrüstung benutzt werden sollte. Zurück im Bergdorf Al Khitaym gebe ich im Navigationssystem des Geländewagens die Route zum Jebel Misht ein.
Off-Road zum Jebel Misht
Dieser auffällige Berg im Hajar-Gebirge erreicht eine Höhe von 2009 Metern und sieht mit seinem gezackten Bergrücken sinnbildlich aus wie ein Kamm. Daher bedeutet auch sein Name in der deutschen Übersetzung Kammberg.
Der Weg vom Jebel Shams Plateau zu diesem Berg führt etwa vierzig Kilometer Off-Road durch die Gebirgswelt. Es ist für mich ein Erlebnis der besonderen Art, entlang atemberaubender Steilwände, schroffer Felsüberhänge und tiefer Schluchten unterwegs zu sein. Das Fahren im Gelände erfordert aber auch meine volle Aufmerksamkeit, um nicht von der Piste abzukommen. Die ausgefahrenen Radlager meines blauen JEEPs jammern mit einem immer lauter werdenden Geräusch bei jedem Schlagloch, das ich unfreiwillig durchquere.
Off-Road direkt durch die Berge auf steinigen Pisten vom Jebel Shams Plateau zum Jebel Misht.
Die Fahrt über die Pässe der Berge mit den unterschiedlich gefärbten Gesteinsschichten in der nahen Umgebung zeigt mir die Einzigartigkeit des Hajar-Gebirges.
Es sind für mich auch als Laien faszinierende Einblicke in eine über achthundert Millionenjahre alte Erdgeschichte, die mir Anlass geben, die Einzelheiten im Internet nachzulesen. Nirgendwo auf der Welt habe ich bislang solch einen Querschnitt durch alle Gesteinsschichten der Erde bewundern können. Durch die Bewegung von Kontinentalplatten haben im Oman riesige innere Erdschichten der arabischen Platte die Erdoberfläche durchbrochen, wodurch große Halden verschiedenfarbiger Sedimente die Landschaft im Gebirge in ein Museum der Erdgeschichte verwandelten. An den östlichen Rändern des Gebirgszuges sind dunkelbraune, gezackte, vulkanische Schichten zu sehen, deren Material normalerweise den Grund des Meeresbodens bilden. Die größte geologische Besonderheit in diesem Gebirge sind jedoch die Gesteine, die in bis zu vierzig Kilometern Tiefe im Erdmantel verborgen waren und hier im Oman offen an der Erdoberfläche zur Besichtigung herumliegen.
Faszinierende Einblicke in die Erdgeschichte mit verschiedenen Gesteinsformationen sind insbesondere im Hajar-Gebirge auf Schritt und Tritt erlebbar.
Bei meiner Ankunft am Kammberg steht die Sonne schon tief im Westen. Der Berg ist einer der geologischen Besonderheiten im Oman, da eine eintausend Meter hohe Felswand aus Kalk besteht und die Gesteinsart nicht zu jener anderer Berge passt. Aber mit der Kenntnis des vorher angelesenen Wissens über die Entstehung des Hajar-Gebirges ist mir dieser Fakt irgendwie erklärbar.
Der mächtige Zackenkamm des sogenannten Kammbergs ist besonders eindrucksvoll im warmen Licht der untergehenden Sonne zu bewundern. .
Vermutlich war diese, in dem farbigen, milden Licht des Sonnenuntergangs magisch anmutende Erscheinung auch ein Grund, warum die Urahnen diese Region für ihre Grabstätten auswählten. Denn in Sichtweite vom Kammberg befinden sich die eigenartig geformten Grabgebilde aus Stein, die bis zu viertausend Jahre alt sein sollen. Aufgrund ihres Aussehens sind sie als Bienenkorbgräber von Al-Ayn in den Listen des UNESCO Weltkulturerbes aufgeführt.
Die steinernen Bienenkorbgräber wurden immer auf einem Bergrücken angelegt. Zu den eindrucksvollsten und am besten erhaltenen im Oman gehören die Grabstätten von Al Ayn.
Die Grabgruppe liegt malerisch auf einem Hügel an der Westseite eines Wadis gegenüber dem Dorf Al-Ayn. Kein großformatiges Hinweisschild an der Straße macht mich auf diese wunderbaren Sehenswürdigkeiten aufmerksam, vielleicht, weil es derartige oberirdische Gräber auch in anderen Regionen im Oman geben soll. Ihre Entstehung in dieser Region ist noch immer nicht eindeutig geklärt. Nur die hier gefundenen Keramikreste gestatten bislang eine eindeutige Zuordnung zu einer Zeit, als im Norden des Omans bereits mit Kupfer gehandelt wurde. Da aber die bienenkorbförmige Gestalt an jene Funde in den Vereinigten Arabischen Emirate erinnert, wird davon ausgegangen, dass es sich auch hier in dieser Region um Grabbauten handeln muss.
Aufgereiht wie an einem Kamm sind die einzelnen, drei bis vier Meter hohen Grabkammern frei zugänglich und lassen im Inneren die Gedanken über die lebendig werden.
Beim Besichtigen der auf einer Linie angeordneten Zeitzeugen fallen mir sofort die typischen Eingänge mit den Spitzbögen auf, die alle in dieselbe Richtung weisen. Im Inneren gibt es jeweils nur eine Grabkammer mit einem nach oben hin halbrund zusammenlaufendem Dach, das ihnen das charakteristische Aussehen verleiht. Vor einer der Bauten sitzend gebe ich meinen Gedanken freien Lauf, um über andere Möglichkeiten der Nutzung zu fantasieren. Vielleicht waren diese Orte Treffpunkte von Zeremonien, so wie ich sie an anderen Plätzen bei meinen Reisen im Mittelmeerraum gesehen habe.
Diese Gedanken begleiten mich noch eine Weile auf der Weiterfahrt auf der schnurgeraden Nationalstrasse 21 in die Stadt Nizwa, meinem Reiseziel an diesem Tag. Die beleuchtete, vierspurige Autobahn befindet sich in einem sehr guten Zustand und wird weiter ausgebaut, was an den vielen Baustellen unterwegs zu erkennen ist. Im Vorbeifahren sehe ich am Strassenrand und der angrenzenden Wüste immer wieder Kamele. Wie ich später im Internet nachlese, sind die Tiere nicht besitzerlos, sondern sind als wertvolle Besitztümer alle mit einem Chip versehen, um sie sofort über GPS ausfindig zu machen.
Kamele weiden an der Autobahn in Richtung Nizwa. Für die Omanis haben die Tiere eine sehr grosse Bedeutung und sind fest im Alltag verankert.